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Idol

Idol

Titel: Idol
Autoren: R Merle
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schmale
     Kost zu teilen und seine Launen zu ertragen? Und Montalto, diesem schlauen Mönch, ist ein hübscher Coup gelungen: er hat einen
     Sekretär von absoluter Diskretion gefunden.«
     
     
    Giulietta Accoramboni:
     
    Ich wurde in Gubbio in Umbrien geboren, wo mein Vater und sein Bruder Bernardo Majolikateller herstellten und verkauften;
     der Majolikaüberzug, den arabische Arbeiter aus Mallorca hier bekannt gemacht haben, ergibt einen gleichmäßig weißen Untergrund,
     auf dem die Farben gut zur Geltung kommen. Die Leuchtkraft dieser Farben ist aber nur mit einer Glasur zu konservieren, die
     Giorgio Andreoli erfunden hat, ein Maler, der in Gubbio die Manufaktur gegründet hatte, die ihm auf seine alten Tage von den
     beiden Brüdern abgekauft wurde.
    Diese in Italien und darüber hinaus auch in Frankreich, Österreich und ganz Europa berühmten Majoliken waren in der |15| Mitte mit einem sorgfältig gemalten Männer- oder Frauenkopf, auf dem Rand mit allegorischen Motiven verziert. Im Hause meines
     Onkels Bernardo hing an der Wand eine Majolika, auf der als Medaillon das stolze Profil seiner Gattin Tarquinia dargestellt
     war, der die Lästerzungen von Gubbio den Beinamen
la Superba
gegeben hatten, sowohl wegen ihrer körperlichen Reize wie auch wegen ihres hochmütigen Charakters.
    Diese Anspielung auf den letzten König des alten Rom 1 mißfiel meiner Tante keineswegs. Sie hatte in ihrer Jugend davon geträumt, durch Heirat dem Adel anzugehören, und manchmal, wenn sie
     zum Herzogspalast von Gubbio hinüberschaute, bereute sie, einen reichen Kaufmann geheiratet zu haben, wo doch ihre Schönheit
     ihr andere Türen hätte öffnen können.
    Dem Teller mit ihrem Porträt war ein sonderbares Schicksal beschieden. Im Verlaufe einer heftigen Auseinandersetzung zwischen
     Tarquinia und ihrem Sohn Marcello ging dieser, trunken vor Wut, mit ausgestreckten Händen auf sie zu, als wolle er sie erdrosseln;
     im letzten Moment jedoch, erschrocken über das ungeheuerliche Verbrechen, das zu begehen er im Begriffe stand, richtete er
     seinen Zorn gegen die Majolika, riß sie von der Wand und schleuderte sie zu Boden, wo sie zerbrach.
    Vielleicht muß ich an dieser Stelle erklären, warum ich im Hause meines Onkels Zeugin dieses symbolischen Mordes wurde: im
     Sommer 1570 waren in Gubbio Fälle von Pest aufgetreten. Tarquinia beschloß, umgehend die Stadt zu verlassen und sich mit ihren
     drei Kindern, ihrem Mann und mir in ihr Landhaus zurückzuziehen. Die Tatsache, daß ich mitreisen sollte, war keineswegs ein
     Beweis ihrer Zuneigung für mich, sondern vielmehr meiner Zuneigung für ihre Tochter Vittoria, der ich Spielgefährtin war und
     auch ein wenig Ratgeberin, denn ich war drei Jahre älter als sie.
    Mein Onkel Bernardo hatte gewisse Skrupel, meinen Vater allein in der Majolikamanufaktur zurückzulassen zu einer Zeit, da
     in Gubbio zu bleiben lebensgefährlich war. Aber sein ganzes Leben lang hatte er der Superba aus einer Mischung von Güte und
     Apathie heraus, die der Grundzug seines Charakters war, nachgegeben, und nun wußte er nicht, wie er sich ihr widersetzen sollte
     in einer Situation, in der Bruderliebe und |16| Gerechtigkeitssinn eigentlich ein anderes Verhalten von ihm forderten.
    Diese Feigheit rettete ihm freilich das Leben. Doch um welchen Preis! Die Pest in Gubbio raffte meine Brüder, meine Schwestern,
     meine Mutter, meinen Vater und die meisten seiner Arbeiter hinweg. Der Kummer darüber lastete so schwer auf Bernardo, daß
     seine sensible und wenig energische Natur allmählich davon erdrückt wurde. Zudem war die Majolikamanufaktur durch den Aderlaß
     sehr geschwächt und arbeitete nur noch mit halber Kraft. Die von der Pest hinweggerafften maurischen Arbeiter waren nur schwer
     ersetzbar, und mein Onkel war zwar ein guter Handwerker, doch fehlte ihm das kaufmännische Talent meines Vaters.
    Genau diesen Zeitpunkt wählte Tarquinia für ihren Entschluß, sich in Rom niederzulassen, um Vittoria dort entsprechend ihren
     eigenen ehrgeizigen Plänen zu verheiraten. Ich sah den armen Bernardo bitten und flehen, wo er hätte befehlen müssen. Aber
     letzten Endes gab er wie immer nach. Er blieb mit seinem jüngsten Sohn Flamineo in Gubbio zurück, und Vater und Sohn gaben
     sich große Mühe, mit den Majoliken all das Gold aufzubringen, dessen Tarquinia bedurfte, um in Rom nahe dem Petersdom, auf
     der Piazza Rusticucci, ein wunderschönes Haus zu mieten, wo sie vom Tag ihrer Ankunft an
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