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Idioten auf zwei Pfoten

Idioten auf zwei Pfoten

Titel: Idioten auf zwei Pfoten
Autoren: Edda Minck
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sind aus Eisen, und es hängen dicke Schlösser davor.
    Ich frage mich: Was wirft man mir vor, dass sie mich in einen Hochsicherheitstrakt gesperrt – womöglich sogar außer Landes gebracht haben? War der Aufenthalt im Bauch des großen Vogels vielleicht doch keine Halluzination? Haben die Menschen mich ihm zum Fraß vorgeworfen, und er hat mich – ungenießbar, wie Möpse nun mal sind – an dieser Stelle wieder ausgespuckt? Oder soll es tatsächlich wahr sein, was die ausländischen Hunde uns erzählt haben? Du weißt doch, die Touristen-Pinkel, die damit prahlen, in einem Flugzeug geflogen zu sein. Ich habe ja immer darüber gelacht, dass sie behauptet haben, sie wären damit gereist. Die Schwachköpfe, habe ich immer gedacht – ein Hund, der fliegt, ist genauso ein Unsinn wie das, was sie sonst noch so zu erzählen hatten: In ihrem Land gäbe es Schulen für Hunde, Friseursalons, Hotels mit Whirlpool und angeblich auch Geschäfte, in denen man Futter und andere Dinge für Hunde kaufen kann. Spielzeug zum Beispiel. Ich bitte dich, Alfonso, wofür braucht ein echter Hund Spielzeug? Ein Hund hat genug andere Dinge zu tun und keine Zeit für Spielzeug! Obwohl – wenn ich mir Assunta so anschaue – sie war immer sehr anfällig für diese Art von Beschäftigung. Das mag wohl an ihrem unberechenbaren italienischen Temperament liegen.
    25. Juni
    Alfonso, mein Freund, ich bekomme es allmählich mit der Angst zu tun. Heute Morgen paradierte eine Meute verschiedenster Hunde an meiner Zelle vorbei. Sie hatten Lederwürger um ihre Hälse gebunden und gingen an Stricken. Es war wie Dantes Inferno: Sie johlten und riefen, geiferten und schluchzten. Ich habe kein Wort verstanden. Ein großer lehmfarbener, der vorneweg lief, war wie von Sinnen und schrie ein Wort, dessen Bedeutung ich nicht kenne. Es hörte sich so an: Kassi. Er schrie es immer wieder, und dann fielen die anderen mit ein wie ein Gefangenenchor. »Kassi! Kassi! Kassi!« Ich fürchte, Alfonso, dies ist kein normales Gefängnis, sondern eine Irrenanstalt.
    Wenn ich nur ihre Sprache verstehen könnte. Wie verloren ist man, wenn man nichts versteht. Dieses »Kassi« hallt in meinen Ohren wider wie eine Drohung. Aber wenn es eine Drohung war, wieso sind sie dann alle so aufgeregt gewesen – beinahe rasend vor Enthusiasmus? Wo wollten sie hin? Der Mensch, der alle Stricke in der Hand hielt, sah, ehrlich gesagt, ganz heiter aus. Ganz so, als würde auch er sich über dieses ›Kassi‹ freuen. Hoffentlich handelt es sich nicht um eine Art Kult, bei dem Hunde geopfert werden!?
    Du weißt, dass ich belesen und gebildet bin. Dafür hat mein Vater, El-Rei Dom João 27. gesorgt. Für keinen Mops der Welt gehört es sich, ungebildet zu sein, war sein Credo. Und dann hat er mir ins Ohr gebissen, wenn ich drohte, über dem Jornal de Noticias einzuschlafen. Ein Mops, der nicht lesen kann, der von seiner Geschichte nichts weiß, ist nur ein Hund wie jeder gewöhnliche Hund. Und so saß ich Stunde um Stunde und lauschte seinen Vorträgen über die Umrundung Afrikas am Cabo da Boa Esperança, die nur dank meines Urahns ein glückliches Ende nahm, weil er sich von Regen und Nebel nicht beeindrucken ließ. Er war es, der im Krähennest Stunde um Stunde ausharrte, allen Widrigkeiten zum Trotz schließlich das Festland entdeckte. Die Schiffsmannschaft hatte zu dem Zeitpunkt längst alle Orientierung und all ihren Mut verloren.
    Oder ich lernte die Reime meines berühmten Urgroßvaters, dem Trovador und großen Poeten, Camôes III. auswendig. Aber das ist lange vorbei. Du weißt, ich spreche drei Sprachen und kann die Werke Fernando Pessoas über weite Strecken auswendig hersagen – aber das hier, das gibt mir Rätsel auf.
    Ich fürchte, dass ich weit, weit weg von meinem geliebten Portugal und meinem geliebten Vila do Santo Chouriço gestrandet bin. Ich habe schon gehört, dass man unliebsame Herrscher zuweilen des Landes verweist oder für unzurechnungsfähig erklärt – wie diesen seltsamen König auf seinem Schloss, der dann im See ertrunken ist. Meine Großmutter hat oft von ihm erzählt, als Beispiel für einen miserablen Rudelführer. Kein Wunder, in seinem Haushalt gab es keine Möpse, die ihm Anstand und Sitte beigebracht hätten.
    Aber warum ich? Ich war immer gut zu euch. Ich wusste immer, wo es was zu holen gab, wo Wasser bereitstand und wo ein guter Schlafplatz zu finden war. Ich habe immer alles gerecht mit euch geteilt.
    Mir geht immer und immer wieder
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