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Idioten auf zwei Pfoten

Idioten auf zwei Pfoten

Titel: Idioten auf zwei Pfoten
Autoren: Edda Minck
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einer Frau hertrottend. Und immer hieß es dann: »Das war ein Missverständnis – ich mach das hier nicht freiwillig.«
    Sobald ich einen Weg gefunden habe, Kontakt mit den anderen aufzunehmen, werde ich einen Aufstand anzetteln. Ich suche mir die tapfersten aus, und wir werden gemeinsam ausbrechen. Du kennst meine Qualitäten bei solchen Problemen. Verlass dich auf mich. Wenn ich nur mehr sehen könnte …
    Jetzt fühle ich mich etwas matt. Ich muss ruhen. Wer weiß, was diese zweibeinigen Kretins sich noch alles ausdenken, um mich zu foltern? Aber den König der Straßen von Vila do Santo Chouriço kriegt man nicht so schnell klein. Das weißt du.
    Bis ich wieder da bin, kann ich euch nur immer wieder raten, euch vor den Menschen und der Meute des Torre fernzuhalten. Ich bin mir fast sicher, dass sie für den Anschlag verantwortlich waren. Irgendjemand hat ihnen verraten, was wir an dem Abend vorhatten, hat ihnen von den prall gefüllten Mülltonnen erzählt, und sie haben uns die Jäger auf den Hals gehetzt. Diese nichtsnutzigen, trotteligen, ungepflegten Cães, eine Schande für die Gemeinde. Demütige räudige Rasse, die sie sind, versuchen sie auf diesem Wege die Stadt zurückzuerobern. Die Abfälle der Jäger und Besucher des Torre reichen ihnen wohl nicht mehr. Ich bitte dich, hör dich unauffällig um, und versuche herauszufinden, wer uns das angetan hat. Versprich mir das.
    Warum ist es plötzlich so still? Alfonso, ich muss Schluss machen – hier geht etwas vor … da kommen die Weißkittel … oje … sie sind zu dritt … haben eine Kiste dabei … Alfonso … Ich fürchte, ich brauche einen Advogado!
    22. Juni
    Trotz des beginnenden Sommers ist mir elendiglich kalt. Das Schlimmste, was passieren konnte, ist passiert, Alfonso. Die Kittel kamen, haben mich gepackt – und dann wurde es dunkel in meinem Kopf.
    Irgendwann, geschüttelt von einem furchtbaren Alptraum, wachte ich auf. Ich befand mich im Bauch eines riesigen Vogels, der in rasender Geschwindigkeit in der Luft flog und dabei ein Fauchen und Stöhnen ausstieß, stundenlang, glaube mir. So ohrenbetäubend, als käme das Brüllen direkt aus dem Schlund der Hölle. Ich wollte ja fliehen. Aber die Wände der Kiste, in die sie mich gepfercht hatten, waren stark, und der Eimer-Kragen an meinem Hals machte es mir unmöglich, mich zu bewegen. Ich habe mir die Pfoten blutig gekratzt, und dann muss ich wohl ohnmächtig geworden sein, denn als ich wieder erwachte, war der Alptraum mit dem großen Vogel vorbei. Ich bin in einem neuen Gefängnis. Es riecht sehr anders. Anders als alles, was ich bisher gerochen habe. Wenn ich meiner Nase noch trauen kann, sitzen hier Hunderte Gefangene.
    Das Erste, was ich verspürte, kaum war ich erwacht, waren die Schmerzen zwischen meinen Hinterläufen. Du ahnst, was ich dir jetzt zu berichten habe. Oh Gott, Alfonso, was soll nur aus mir und der ehrbaren Linie der Joãos werden, wenn ich die Damen nicht mehr beglücken kann?
    Ich liege den ganzen Tag auf einer zerfransten Matte, die nach der Angst von zwanzig anderen riecht, umgeben von dicken Gitterstäben, durch die der Wind pfeift, und sehne den Tod herbei. Aber noch nicht einmal sterben lassen sie einen hier. Sie flößen mir Wasser und Essen ein, sie geben mir Spritzen – ich lasse alles über mich ergehen. Ich bin zu schwach und fiebrig, um mich zu wehren, und noch kann ich die neuen Folterknechte nicht einschätzen. Wer sind sie, und was wollen sie von mir? Werden sie Lösegeldforderungen stellen? Haben sie meine Testiculos an die Stadtverwaltung von Vila do Santo Chouriço geschickt, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen? Was ist aus eurem König, El-Rei Dom João 28. nur geworden? Ein falsettierender Kastrat … Oh, Alfonso … niemand wird auch nur einen abgenagten Knochen für mich bezahlen …  Wer leidet,  Alfonso , leidet allein,  sagt Fernando Pessoa. Aber in diesen schweren Stunden ist er mir auch kein Trost. Zu wahr sind seine Worte.
    24. Juni
    Alfonso, mein Freund, es wird dich freuen zu hören, dass ich wieder zu Kräften komme. Nun, wenn es meine Bestimmung ist, durch dieses Jammertal zu waten, dann sei es. Ich arbeite bereits wieder an einem Fluchtplan und untersuche das Terrain, ein schwieriges Unterfangen, denn immer noch hängt mir dieser Eimer um den Hals. Aber ich habe trotzdem etwas herausgefunden: Dieses Gefängnis ist noch stabiler als das vorherige. Der Boden ist aus Beton und sehr kalt. Graben hat keinen Zweck. Die Gitter
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