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Idioten auf zwei Pfoten

Idioten auf zwei Pfoten

Titel: Idioten auf zwei Pfoten
Autoren: Edda Minck
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Kauderwelsch, so wie in dem Film, du weißt schon, den wir letzten Sommer im Freiluftkino am Pelourinho gesehen haben. Sie redet wie dieser kleine Mann mit dem hässlichen Schnurrbärtchen, der die Welt beherrschen wollte. Ihre Sprache malträtiert mein Gemüt wie Hammerschläge, hart, in einem fortwährenden Stakkato; ganz anders als unsere Sprache, die sich sanft und rund, geradezu graziös dem Ohr nähert und die Seele umfängt, wie die üppigen Arme einer wohlgestalteten Frau.
    Ihre Arme dagegen sind behaart, ihre Hände rissig und geschrubbt bis auf die Knochen. Von diesen Händen wird mir der Fraß in einem Blechnapf hingestellt. Jeden Nachmittag kommt noch ein Mann in einem Kittel, und ohne sich überhaupt bei mir vorzustellen sticht er mich mit einer langen Spritze. Ich habe versucht, ihm verständlich zu machen, dass ich das alles nicht brauche und dass er mich gefälligst wieder auf freien Fuß setzen soll; mit dem furchtbaren Ergebnis, dass sie jetzt zu zweit kommen, um mich zu traktieren. Obwohl ich heftig protestiere, muss ich mich, El-Rei Dom João 28., der brutalen Choreographie ihrer Hände ergeben, werde in unwürdigster Pose auf den stinkenden Boden gedrückt, und dann wird mir das lange, spitze Ding ins Fell gestoßen. Meine Wunde am Auge will auch nicht heilen, kein Wunder, die Menschen haben es zugeklebt. Bis jetzt war bei jeder Verletzung immer noch Luft und Licht die beste Medizin. Warum wissen sie das nicht?
    Mein Vater, El-Rei Dom João 27., hatte recht – den Menschen und ihren Machenschaften ist nicht zu trauen. Hinter jedem Bissen, dem sie einem zuwerfen, wartet eine unaussprechliche Folter. Sie locken uns, sie fangen uns, und dann stecken sie uns hinter Gitter – manche von uns wachen eines Tages auf und liegen an schwere Ketten gebunden auf einem Hof, bei Wasser und Brot; sie werden getreten und geschunden, bis sie nicht mehr können – und manche, wie man hört, bekommen irgendwann die Todesspritze. Alfonso, pass auf dich und Assunta auf. Nehmt euch in Acht! Mehr kann ich zurzeit nicht für euch tun. Wir sind nie auf diese Tricks hereingefallen, und wir werden es auch in Zukunft nicht tun. Und glaub mir, ich bin nicht freiwillig mitgegangen. Es war dieser Knall, als wir durch die Rua Peso de Lã gerannt sind. Es klang wie die Büchse eines Jägers. Und dann weiß ich nichts mehr. Das musst du mir glauben, Alfonso. Ich habe euch nicht mutwillig verlassen. Und glaubt bloß nicht, dass ich den Verlockungen der Menschen erlegen bin. Ich hoffe, du hast gesehen, wohin sie mich gebracht haben. Sicherlich bist du längst auf dem Weg hierher, um mir zur Flucht zu verhelfen.
    20. Juni
    Alfonso, mein Freund, ich habe einen Plan: Ich werde in Hungerstreik treten. Es wird mir nicht schwerfallen, bei diesem Fraß. Heute gab es bis zur Unkenntlichkeit zermatschtes Gemüse und Reis. Stell dir nur vor, es ist mit Wasser verpanscht! Völlig ungenießbar – ohne den Hauch eines Gewürzes. Bei der Frau, die morgens kommt, habe ich ein Brathähnchen von O Torradinho aus der Rua Mateus Fernandes bestellt, aber sie scheint mich nicht zu verstehen und tätschelt mir mit ihren großen Händen auf dem Kopf herum, als wäre ich ein Volltrottel. Kennt sie etwa die beste Hähnchenbraterei von Vila do Santo Chouriço nicht? Und warum erdreistet sie sich, mich ständig anzufassen?
    Ich wollte sie beißen, habe sie aber nicht erwischt, weil ich auf dem linken Auge gar nichts mehr sehen kann. Ich versuche ja, das klebrige Zeug abzuziehen, aber es geht nicht. Zu allem Unglück haben sie mir auch noch eine Garotte umgelegt. Die Menschen sind erfinderisch, wenn sie einen quälen wollen – in Ermangelung von ordentlichem Holz, das für dieses Folterinstrument unerlässlich ist, haben sie einen Eimer ohne Boden genommen und an meinem Hals befestigt. Ich sehe nur noch, was direkt vor meiner Nase ist und kann mich nicht einmal mehr um meine Maniküre kümmern. Was soll das?, frage ich dich. Ich kann nur hoffen, dass die Menschen den Spaß an diesem grausamen Ulk verlieren. Ich werde so tun, als würde es mir gar nichts ausmachen … dann verlieren sie vielleicht das Interesse daran.
    Ich höre andere Hunde, die herzzerreißend die ganze Nacht ihre Klagen in den Himmel schreien. Sie alle behaupten, es sei ein Missverständnis, das sie hinter Gitter gebracht hat. Aber so argumentieren ja alle, wirst du sagen. Wie oft haben wir einen von uns plötzlich mit einem Halsband um den Hals getroffen, neben einem Mann oder
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