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Idioten auf zwei Pfoten

Idioten auf zwei Pfoten

Titel: Idioten auf zwei Pfoten
Autoren: Edda Minck
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könnte gefahrlos Tausende von Brathähnchen zählen, um mich in den Schlaf zu wiegen.
    Alfonso, vergesst mich nicht. Ich fürchte, unser Wiedersehen wird noch lange auf sich warten lassen.
    28. Juni
    Du wirst es nicht glauben, Alfonso, mein Freund, was ich in Erfahrung gebracht habe: Zuerst kam eine Kittel-Frau in meine Zelle und entfernte das Folterinstrument von meinem Hals. Ich konnte es kaum fassen. Dann befreite sie mein Auge von dem klebrigen Zeug. Ich wollte platzen vor Glück, es ihr aber nicht zeigen, und legte mich gleich wieder auf die Matte. Dann ist sie gegangen, ohne mir zu sagen, wie es weitergehen soll. Wenig später öffnete sich plötzlich die Zellentür, und eine englische Beagle-Lady kam herein. Ich habe sie zunächst für eine Spionin gehalten, aber sie war nur eine gelangweilte, verwöhnte Ziege. Trotz meiner Freundlichkeit gab sie nur ein kühles »Good morning« von sich, um sich dann ganz ihrer Fellpflege zu widmen. Aber wer kann schon dem Charme eines El-Rei Dom João auf Dauer widerstehen? Ich sprach sie in ihrer Muttersprache an: »Good morning, Mylady. Wenn ich mich vorstellen darf: Dom João aus Vila do Santo Chouriço, meine Verehrung.«
    Sie hob die Augenbrauen und bedachte mich mit einem Blick, den man gewöhnlich für Ungenießbares bereithält, und sagte: »Ich fürchte, das riecht man.«
    »Wie meinen, gnädige Frau?«
    »Chouriço … Knoblauchwurst … Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen«, sagte sie und zog die Nase kraus.
    Ich ließ mich davon nicht beeindrucken und fuhr fort: »Sind Sie des Öfteren hier, wenn ich fragen darf?«
    »Es ist nicht mein Stammlokal, wenn Sie das meinen«, sagte sie, wohl in der Hoffnung, das Gespräch damit beendet zu haben. Ich warf alle Vorbehalte über Bord in der Hoffnung, etwas von ihr über diesen Ort in Erfahrung zu bringen, stellte mich diesmal mit meinem vollen Titel vor und berichtete ihr, wie ich, ohne es zu wollen, an diesem Ort gestrandet war. Die Jäger ließ ich aus, um sie nicht unnötig in Angst und Schrecken zu versetzen. Als ich geendet hatte, klapperte sie mit den Wimpern und gähnte, ohne ein Wort des Trostes oder des Mitgefühls hervorzubringen.
    Ich gab es auf und rollte mich zusammen. Nach einer Stunde bleierner Stille sagte sie plötzlich: »Und du weißt noch nicht einmal, wo du bist? Ist das dein Ernst?«
    Spotte nur, dachte ich und gab ihr keine Antwort. Sie setzte sich direkt vor mich hin und grinste. »Na gut. Weil ich ein weiches Herz habe … Wir sind in Deutschland, Dom João aus Vila do Santo Chouriço, wie du dich nennst. Hier regieren seit Blondies Zeiten die Schäferhunde, verstehst du. Wer will da schon so was wie dich? Du hast noch nicht mal Papiere oder einen Stammbaum, der beweist, was du bist. Erzählen kann man ja viel. Aber hier wollen sie alles schriftlich. Und dann kommt noch dazu, dass du ihre Sprache nicht sprichst. Worüber beschwerst du dich also, du einäugiges Monster? Du bist vermutlich ein Illegaler. Sei froh, dass du noch lebst.«
    »Ich soll nur ein Auge haben?! Mylady belieben zu scherzen.«
    »Guckst du nie in den Spiegel? Goodness! Was für ein Kretin von einem Hund.«
    Ich strich mir mit der Pfote übers Gesicht. Da war kein Auge mehr – nur noch Fell. Als mir die Kittelfrau die Garotte abgenommen hatte, hatte ich gedacht, jetzt wird sich das Auge erholen. Es wird ein paar Stunden dauern.
    Die englische Lady spottete: »Und wie ich sehe, fehlen dir auch noch ein paar andere wichtige Sachen.«
    Ich wollte vor ihr nicht wie ein Feigling dastehen, riss mich zusammen, lachte und sagte: »Ach, das … mit dem Auge, das ist nichts. Nur eine alte Kriegsverletzung, wissen Sie, ich stamme aus einem alten Seefahrergeschlecht, haha … Ich habe Sie doch nicht etwa erschreckt? Wir Portugiesen machen gerne solche Witze.«
    »Nein, erschreckt nicht. Ich finde deine Attitüde eher lächerlich«, sagte sie. »Du musst keine Spielchen spielen, João. Die Wunde ist eben erst verheilt. Das sieht doch ein Blinder. Oops, das wollte ich jetzt nicht sagen.« Sie kicherte und legte die Vorderpfoten übereinander. »Das liegt daran, dass ich meinen Tee noch nicht hatte. Da bin ich zuweilen unkonzentriert.«
    Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte sie doch tatsächlich ihren Kopf auf die Pfoten gelegt und war eingeschlafen.
    Alfonso, glaube mir, das musste ich erst einmal verdauen. Darüber wurde es später Nachmittag. Zwischenzeitlich wurde das Essen gebracht, aber die englische Lady hat davon nichts
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