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Ich zog mit Hannibal

Ich zog mit Hannibal

Titel: Ich zog mit Hannibal
Autoren: Hans Baumann
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vom Zaun. Karthago gab nach. Es lieferte alle Waffen und Elefanten und Schiffe aus. Da erst ließ Cato den Karthagern sagen, ihre Stadt werde vom Erdboden verschwinden; sie sollten sich drei Stunden weit von der Küste eine neue Stadt bauen. In ihrer Verzweiflung entschlossen sich die Karthager, obgleich ohne Waffen, bis zum Äußersten zu kämpfen. In fieberhafter Hast wurden aus Geräten Waffen geschmiedet. Aus Schalen, Scheren, Angeln, Löffeln und Messern wurden in kürzester Zeit dreitausend Schilde, neuntausend Schwerter, fünftausend Lanzen und dreißigtausend Pfeile. Die Frauen opferten ihre Haare und machtenSehnen für Bogen aus ihnen. Drei Jahre lang kämpften sie, bis der Hunger sie zu Gespenstern werden ließ. Dann zündeten sie ihre Stadt an, die ihnen mehr galt als ihr Leben. Ich war mit einer Schar von Treibern nach Afrika gebracht worden. Die Römer trauten den Karthagern jede Teufelei zu   – auch dass sie Elefanten in der Stadt versteckt hielten, obgleich beim Waffenstillstand jeder Winkel nach Elefanten durchsucht worden war. Ich sah die Stadt brennen. Aus dem leuchtenden steinernen Schiff wurde ein rauchender Trümmerhaufen wie aus Sagunt. Ich sah Sagunt zum zweiten Mal brennen. In den Flammen gingen die Säulen unter, zwischen denen die Schiffe ihren Platz gehabt hatten, das Lager der Buntwirker unter dem Feuerberg, die Byrsa, die Hochhäuser und die Paläste. Als alles zu Ende war, wurden wir in die Stadt geschickt, um nach Elefanten zu suchen. Es roch nicht nach Zedernholz oder Bäckereien, kein Kupfer klang unter Hämmern. Ich sah ein Karthago, das Karthalo nicht kannte. In den Mauern starrten ungeheure Höhlen: die leeren Ställe der Elefanten. Es wurde nicht einer entdeckt. Auch kein Karthager, der noch lebte. Aber ich traf Menschen, die nur noch Haut und Knochen waren und doch leuchteten vor Freude. Es waren Verdammte, die der Verdammnis entrissen waren: die Sklaven aus den Kalksteinstollen am Meer. Nach Jahren, die sie in der Hölle zugebracht hatten, waren sie frei und konnten hingehen, wohin sie wollten. Manche von ihnen umarmten mich, als wäre ich ihr Befreier. Im allgemeinen Taumel gab es keinen Unterschied mehr zwischen Mensch und Mensch. Da machte auch ich mich aufden Weg. Ich ging nach Westen, durch die Gärten von Megara und dann weiter an der Küste. Ich zog den Elefantenweg bis zu den Säulen des Herkules. Ein Schiff nahm mich mit hinüber nach Gades   – gegen eine Hand voll Münzen, die ich in Karthago auf der Straße gefunden hatte. Ich war in Iberien. Es gehörte nun den Römern. Niemand hielt mich auf: Ein alter Mann, der nicht mehr lange zu leben hat   – was soll der ausrichten!   – Sie wussten nicht, dass ich der Einzige war, der jeden Flecken in Sagunt kannte, der wusste, wo es sich lohnt zu graben.« Der Alte streckte seinen rechten Arm aus und deutete auf die Berge im Osten. »Jeden Augenblick muss sie kommen!« Die Berge hatten schon scharfe Ränder.
    Morik sah den Arm des Alten genau an. Er konnte kein Mal entdecken. »Haben sie dir keins eingebrannt?«, fragte er, ohne zu überlegen.
    Da hielt ihm der Alte das Handgelenk hin. »Hier«, sagte er. Er deutete auf eine Stelle, an der eine Narbe zu sehen war. »Es hat sich mit der Zeit verwachsen. Ich wurde alt genug und ich hatte es nie versteckt wie Karthalo. Die Sonne und der Wind löschten es und die Zeit hat es gelöscht   – weil ich nicht aufhörte zu leben. Hannibal gab auf«, stellte er ingrimmig fest. Aber dann nahm er ihn in Schutz. »Seine eigenen Leute taten ihm zu viel an. Sie wollten ihm den Prozess machen   –, ›wegen absichtlich unterlassener Eroberung Roms‹; und er floh von Land zu Land, sein Haus in Karthago wurde von Karthagern dem Erdboden gleichgemacht und nach dem fünften Auslieferungsantrag Roms nahm Hannibal Zuflucht zu dem Fläschchen im Gürtel. Er starb durch Gift.«
    »Und Silenos, was wurde aus ihm?«, fragte Tana.
    »Ihm bin ich noch mehrmals begegnet«, sagte der Alte mit aufgehellter Miene. »Im Hause des reichen Mannes, der mich zuletzt gekauft hatte, gab es Bücher. Eines Tages, viele Jahre nach dem Hannibal-Krieg, brachte der Mann ein neues Buch heim: Silenos. Der Mann hatte Freunde, mit denen er über seine Bücher sprach. Er hielt viel von Silenos, ›denn er ist dabei gewesen und muss es wissen, wie es sich zugetragen hat‹. Viele Jahre waren wir zusammen unter dem gleichen Dach   – Silenos und ich.«
    Da fragte Morik: »Wie heißt du überhaupt? Wir wissen so
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