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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen
Autoren: Fritz Mertens
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uns zu einem Spezialisten. Wir mußten lange im Wartezimmer sitzen, bis wir dran kamen, aber schließlich war es soweit und wir wurden aufgerufen. Ich hatte ein klein wenig Angst bekommen als ich den Arzt sah. Als wir dann ins Behandlungszimmer gingen, und ich die ganzen Spritzen und Instrumente sah, fühlte ich mich gleich besser und wollte wieder nach Hause. Meine Mutter meinte darauf, daß wir jetzt schon hier wären, und meine Hüfte endlich untersucht wird, und daß nicht gekniffen wird.
    Also begann die Untersuchung, und der Arzt fing an, an mir herumzuklopfen, was mir überhaupt nicht paßte. Kurz darauf sagte er zu mir, daß er meine Hüfte mal fotografieren wolle, und ich hatte nichts dagegen und mußte mich auf einen merkwürdigen metallenen Tisch legen. Erst ein paar Jahre später erfuhr ich, daß man mich geröntgt hatte. Nach dieser merkwürdigen Methode zu fotografieren, also für mich merkwürdig, durfte ich mich wieder anziehen, und meine Mutter und ich mußten im Wartezimmer warten. Nach einer halben Stunde wurden wir vom Arzt ins Behandlungszimmer gerufen, und er erklärte meiner Mutter irgendwas, was ich nicht verstand, denn solche Fremdwörter hatte ich mein Leben lang noch nicht gehört. Aber eins verstand ich, nämlich daß wir in zwei Tagen wieder hier erscheinen müssen, was mir natürlich gar nicht behagte, denn ich hatte für heute genug vom Arzt und seiner Fotografiererei. Zwei Tage später saßen wir wieder in dem kleinen, nach Arzt riechenden Wartezimmer, und ich hatte ein ungutes Gefühl im Magen, daß heute noch irgendwas passieren würde, und das Gefühl blieb, bis ich ins Behandlungszimmer ging, denn dort vergaß ich es vor lauter Aufregung. Der Arzt befahl mir, daß ich mich ausziehen und auf eine merkwürdige Art von Werkbank legen sollte. Es lagen eine Menge weißer Rollen herum, auch in einem Eimer mit Wasser lagen ein paar weiße Rollen, und noch allerhand anderes Gerümpel. Der Arzt meinte zu mir, er würde mich eingipsen, und ich war damit einverstanden, wenn es nicht weh täte. Daraufhin gipste mich der Arzt ein, und als er mit der ganzen Sache fertig war und ich sein Werk betrachtete, war ich weniger begeistert, denn mein ganzes linkes Bein und mein halbes rechtes Bein vom Knie ab aufwärts lag im Gips bis zu meinem Bauchnabel. Das einzige was frei war, war mein Fimmel und ein Stück vom Hintern, damit ich meine Geschäfte nicht in den Gips machen mußte, was mich natürlich ungemein beruhigte. Auf einmal bekam ich Tränen in den Augen, und ich wußte nicht einmal warum. Meine Mutter stand neben mir mit bekümmertem Gesicht und versuchte mich zu trösten, was ihr auch nach langem Hin und Her und vielen Versprechungen gelang. Kurz darauf, nachdem der Gips richtig hart war, kamen zwei Sanitäter in weißen Kitteln und mit einer Tragbahre zu mir an die ärztliche Werkbank und grinsten mich an, mir gelang es zurückzugrinsen und ich fragte mich, was die nun von mir wollten. Sie legten mich dann zu zweit auf die Tragbahre und deckten mich sorgfältig zu, wahrscheinlich damit ich mich nicht erkälte, was ja sowieso nicht mehr ging, da ich in eine ungeheure Gipsmenge verpackt war. Die zwei hoben darauf die Tragbahre an und brachten mich zwei Etagen tiefer auf die Straße und hievten mich in einen Krankenwagen.
    Als ich nun im Krankenwagen lag, gesellte sich meine Mutter zu mir und einer der Sanitäter, die Türen des Wagens schlossen sich. Ich hatte auf einmal gar keine Angst mehr, im Gegenteil, ich verspürte auf einmal einen kleinen Stolz in mir, daß ich bestimmt der erste war von unserer Schulklasse, der in einem Krankenwagen mitgefahren ist. Ich dachte, ich komme jetzt ins Krankenhaus, so wie es auch in Fernsehfilmen immer ist, wenn ein Krankenwagen auftaucht. Um so überraschter war ich, als der Wagen dann vor unserer eigenen Haustür hielt und die Türen wieder aufschwangen. Die Sanitäter trugen mich in unser Kinderzimmer, das wir zu dritt teilten, und legten mich auf mein Bett, und ich fühlte auf einmal in mir eine beglückende Seligkeit, daß ich wieder zu Hause war und nicht im Krankenhaus, wo alles so fremd sein würde und ich bestimmt ganz allein wäre. Als ich mich dann bei den Sanitätern bedankt hatte, genauso wie meine Mutter es gemacht hatte, verließen die Sanitäter uns, und wir waren alleine im Zimmer zurückgeblieben. Meine Mutter hatte irgendwie ein besorgtes Gesicht, und ich wollte den Versuch machen sie aufzumuntern, was mir aber nicht gelang. Auf einmal
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