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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen
Autoren: Fritz Mertens
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wollte ihr das schonend beibringen, was mir aber nicht gelang. Sie schrie mich an, nachdem sie den riesigen Tuschfleck im Bett gesehen hatte.
    »Du dämlicher Krüppel, wie hast du das wieder fertiggebracht, du bist ja zu nichts fähig«, und gab mir dann ein paar schallende Ohrfeigen und nahm mir mein Malzeug weg, und sagte: »Ab jetzt ist Schluß mit dem Unsinn.« Ich erwiderte gar nichts, sondern blieb reglos im Bett liegen und versuchte die Ohrfeigen zu vergessen. Am Abend kam dann Pappa nach Hause, setzte sich neben mein Bett und fragte, was ich denn da heute angestellt habe? Also wußte ich gleich, daß Mutter es ihm gesagt hat, das mit dem Tuschfleck. Ich sagte Pappa alles, was passiert ist, und verschwieg dabei bewußt die Ohrfeigen.
    Pappa meinte, das sei doch gar nicht so schlimm und strich mir sanft übers Haar, und lächelte mich an, dabei kniff er ein Auge zu und ich wußte, daß es so gemeint war, wie er es sagte. Ab diesem Tage war die Welt zwischen Pappa und mir wieder in Ordnung. Darauf trug er mich ins Wohnzimmer, und wir schauten Fernsehen, wobei er eingenickt war. Als ich dann abends im Bett war und nicht einschlafen konnte, hörte ich laute Stimmen aus dem Wohnzimmer und versuchte darauf, angestrengt zu lauschen. Die Stimmen waren unverkennbar, es waren Mutti und Pappa, sie stritten mal wieder, bloß machten sie immer einen Fehler, sie ließen aus Versehen wahrscheinlich die Tür einen Spalt breit auf. Um was sie stritten, habe ich nicht mitbekommen, aber ich bekam plötzlich einen merkwürdigen Kloß im Hals und mir kamen die verrücktesten Gedanken. Was ist, wenn Mutti wieder Schlaftabletten schluckt, es ist ja keiner da, der ihr diesmal helfen kann, oder wenn Pappa sie schlägt, was soll ich da tun. Oder wenn einer von beiden davonläuft, sind wir ja alleine. Mir kamen Tränen, aber kurz darauf muß ich auch schon eingeschlafen sein, denn der ganze Tag hat mich angestrengt, und das Fernsehen hat wahrscheinlich seinen Rest dazu beigetragen.
    Am nächsten Morgen schien der Tag wieder in Ordnung zu sein als ich aufwachte. Ich hörte das mittlerweile vertraute Geschirrklappern, und meine Geschwister, die schon am frühen Morgen herumtollten. Ich hatte gleich als ich aufwachte an den gestrigen Abend gedacht, und meinte, es sei wieder alles in Ordnung.
    Mutti kam mit dem Frühstück ins Zimmer, und ich wünschte ihr einen guten Morgen, aber sie erwiderte nichts, sondern drehte sich um und ging wieder aus dem Zimmer. Das machte mich natürlich stutzig, und ich fragte: »Mutti, was ist denn heute los mit dir?« »Laß mich in Ruhe, wegen dir habe ich schon genug Ärger am Hals, und das von gestern abend werd ich dir so schnell nicht vergessen«, und darauf ging sie aus dem Zimmer.
    Ich starrte auf das Frühstück und hatte auf einmal keinen Hunger mehr. Ich fragte mich, was ich gestern abend nur angestellt haben mochte, und mir fiel nichts ein, ich habe doch nur Fernseh geschaut und bin dann später, als Pappa aufwachte, von ihm ins Bett zurückgetragen worden. Ich überlegte und überlegte, aber ich kam nicht auf des Rätsels Lösung. Aber daß ich noch darauf kommen sollte, stellte sich genau eine halbe Stunde später raus.
    Mutti kam ins Zimmer, um wahrscheinlich das Frühstücksgeschirr zu holen, aber ich habe das Frühstück gar nicht angerührt, und so stand es noch genau wie vorher auf dem Tischchen neben dem Bett.
    Sie schaute mich an und dann auf das nicht angerührte Frühstück. Dann sagte sie zu mir in einem ganz gehässigen Ton: »Bin ich dir nicht gut genug, um das Frühstück zu machen, oder muß es dir ab jetzt dein Vater machen, dem erzählst du ja sowieso alles, was ich mache, das hat sich ja gestern mit der Tusche mal wieder gezeigt. Du bist ja sowieso sein Lieblingssohn, aber ich werde dir noch helfen und zeigen, wie dein Vater ist.«
    Ich lag mit geöffnetem Mund im Bett, und wußte nicht genau, was ich sagen sollte, und als ich sie fragen wollte, ob sie deswegen, also wegen der Tusche gestern abend gestritten hätten, sagte sie, bevor ich noch zu Wort kam: »Das was ich dir jetzt gesagt habe, kannst du ihm ja heute abend gleich wieder erzählen, dann kannst du dich heute abend freuen, wenn wir uns wieder streiten wegen dir, ich erzähle es dir dann, damit du dich freuen kannst, über deine Hetzerei.« Das war alles, sie drehte sich auf dem Absatz herum und verließ das Zimmer, mit dem unangerührten Frühstück. So, jetzt weiß ich endlich, warum sie gestritten haben, aber jetzt
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