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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen
Autoren: Fritz Mertens
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meine ganze Hoffnung zusammen und ich bekam Tränen in den Augen, die mir auch ein paar Minuten später die Wange runterliefen. Auf einmal konnte ich den Arzt nicht mehr sehen, am liebsten hätte ich ihn verhauen, aber dazu war ich zu klein, und außerdem hätte meine Mutter etwas dagegen gehabt, und so beschränkte ich mich darauf, gar nichts zu tun und zu sagen, sondern mit mir alles geschehen zu lassen. Mir war in diesem Moment alles egal, und wenn der Arzt mich umgebracht hätte, wäre mir das gerade recht gewesen. Leider hat er mir keine Betäubung gegeben als er mich eingipste, und so wurde mein Zorn von Gipsbinde zu Gipsbinde größer, so daß ich zum Schluß, besser gesagt fast zum Schluß, dem Arzt nur ein Wort ins Gesicht brüllte, nämlich Kinderquäler, worauf mir meine Mutter gleich mit der flachen Hand über mein loses Mundwerk fuhr. Ich fing an zu schluchzen und beruhigte mich erst im Krankenwagen auf dem Weg nach Hause, auf dieser elenden rumtragbaren Pritsche. Naja, der Arzt hat gemeint, daß ich in vielleicht sechs Wochen den Gips losbekäme, aber ich wußte jetzt schon, daß er mich anlog, und ich redete mir schon selber ein, daß ich nie wieder laufen könnte und ewig ein Krüppel bleiben werde, der immer im Gips und in seinem Bett liegen muß.
    Ich verfluchte den schneeweißen neuen Gips und den Arzt.
    Mir kamen die Tage endlos vor, und ich wurde von Tag zu Tag nervöser. Nichts passierte, jeden Tag derselbe Trott, und wenn Verwandte oder Bekannte kamen, bemitleideten sie mich so, daß ich sie, also die Besucher, ab und zu sogar anpflaumte.
    Meine Mutter fand das zwar gar nicht gut, glaube ich, denn ich sah es an ihrem Gesicht, und sie brauchte mir gar nichts zu sagen. Ich glaube, sie verstand mich aber in der Beziehung, und deswegen sagte sie auch nichts.
    Eines Tages aber gab es wirklich Ramba Zamba in der Bude, und ich wurde da genauso in Mitleidenschaft gezogen wie meine Brüder.
    Meine Brüder kamen von draußen, also vom Spielen nach Hause. Als sie im Kinderzimmer waren, stellte Mutter fest, daß sie irgendwie blaß aussehen täten, und so betrachtete sie meine Brüder genauer.
    Sie fing an zu schnuppern und stellte fest, daß sie nach Zigarettenrauch stänken. Sie meinte, sie sollen sie mal anhauchen, was die zwei ehrfürchtig machten, worauf Mutter auch zornrot anlief und die zwei hysterisch anschrie, und von ihnen wissen wollte, ob sie geraucht hätten, wobei die zwei gleich mit einem lauten Ja antworteten und gar nicht den Versuch gemacht hatten, sie anzulügen. Mutter schrie, jetzt setze es eine Tracht Prügel, und die zwei Kleinen fingen gleich an zu weinen. Meine Mutter ging ins Schlafzimmer und kam mit einem breiten Hosengürtel von meinem Vater zurück, und wir Brüder wußten alle drei, was die Stunde geschlagen hatte.
    Sie nahm den Gürtel doppelt und forderte meine Brüder auf, sich über den Stuhl zu legen, was sie auch taten und dabei weinten, als hätten sie die Tracht Prügel schon hinter sich.
    Meine Mutter schlug zu, immer auf die Hintern meiner Brüder und immer abwechselnd, und das Geschrei meiner Brüder wurde immer lauter, bis ich es nicht mehr hören konnte, und Mutter anschrie, sie solle endlich aufhören, das sei genug. Sie drehte sich um, hob den Gürtel blitzschnell und zog ihn mir quer durchs Gesicht über den Mund. Ich spürte auf einmal den stechenden Schmerz in meinem Gesicht und spürte das leicht süßliche Blut in meinem Mund, aber ich war zu keinem Wort mehr fähig, sondern nur noch überrascht. Sie zielte noch zwei Schläge über die Hintern meiner Brüder ab und hörte dann auf zu schlagen. Darauf drehte sie sich zu mir und sagte, sie bestrafe ihre Kinder wie sie wolle und ich habe dabei die Schnauze zu halten, und beim nächsten Mal bleibt es nicht bei einem Schlag, dann tat ich die Hucke vollkriegen, daß ich mindestens zehn Tage meinen Arsch nicht mehr spüren täte.
    Ich nickte nur und war tödlich beleidigt, und habe mir geschworen, nicht mehr mit ihr zu sprechen, was ich natürlich nicht gehalten habe, denn nach einer Stunde mußte ich unbedingt, und ich mußte sie rufen und bitten, damit sie mir hilft.
    Die Tage vergingen und meine Langeweile wurde immer größer, und so fing ich an zu malen, was meine Mutter für eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung hielt. Aber eines Tages fand sie es nicht mehr so sinnvoll, nämlich als ich aus Versehen das Tuschfläschchen umgestoßen habe, und die ganze Tusche ins Bett gelaufen ist.
    Ich rief meine Mutter und
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