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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen
Autoren: Fritz Mertens
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Rollstuhl durch die Gegend zu kurven, was mir natürlich mehr Spaß machte, als im Bett zu liegen mit einem Haufen Gips am Körper. Die Nachbarn schauten alle ganz dumm, als sie mich täglich im Rollstuhl sahen, den Erwachsenen tat es wahrscheinlich leid, und einigen von den Kindern ebenfalls.
    Aber wir hatten auch Nachbarkinder, die das sehr lustig fanden, da sie mich immer auslachten und mich mit ein paar nicht gerade angenehmen Schimpfwörtern bombardierten.
    Eines Nachmittags fuhr ich mal wieder im Hof an den Garagen und den Terrassen über uns spazieren, damit ich frische Luft schnappen konnte und nicht den ganzen Tag in der Wohnung sitzen mußte, als plötzlich eines der Nachbarkinder auf mich zukam. Sie hieß Susanne und hatte noch fünf Geschwister, aber sie war durchtrieben, frech, unhöflich und hatte immer die größte Schnauze, wenn man das überhaupt noch Schnauze nennen kann, auf jeden Fall war es am besten davonzulaufen und nicht hinzuhören, wenn sie lossschimpfte, da man sonst alle Schandtaten von ihr an den Kopf geworfen bekommt. Also sie kam auf mich zu und musterte mich von Kopf bis Fuß, und fragte mich dann: »Darf ich mal mit dem Rollstuhl fahren?« »Nein«, antwortete ich kurz und bündig. »Ja warum denn nicht?« »Ganz einfach, weil ich nicht aus dem Rollstuhl darf und zweitens weil ich nicht laufen kann und drittens mir meine Eltern verboten haben, ihn auszulernen, damit andere damit spielen können, und weil es nicht unser eigener ist, da er von der Krankenkasse gestellt worden ist.«
    Sie fing an, um mich herumzulaufen und mich mit ein paar gesalzenen Schimpfwörtern zu betiteln. »Du Eierkopf, Krüppel, kranker Idiot, Geizhals!«, alles was ihr gerade so einfiel.
    Da drehte ich mich einmal im Kreis und fuhr direkt auf sie zu und brüllte lautstark: »Du dumme Gans, ich wäre froh an deiner Stelle, wenn ich es nicht hätte, du fieses Aas!«, und noch ein paar Schimpfwörter fielen mir ein, worauf sie panisch die Flucht ergriff.
    Am nächsten Tag fuhr ich wieder im Hof, und da stand sie auf der Terrasse mit drei ihrer Geschwister und schaute zu mir herunter, und ich zu ihnen herauf. Da fragte sie mich: »Was gibt es denn so dämlich zu glotzen, du Affe im Rollstuhl?«
    Natürlich nahm ich das nicht gleich wörtlich, und schaute wieder über den Hof, wo meine Geschwister, also meine Brüder besser gesagt, im Sandkasten buddelten und Murmeln spielten.
    Auf einmal fingen sie an, von oben von der Terrasse auf meinen Kopf zu spucken, und sie trafen auch nicht schlecht, also mußten sie einige Übung darin haben. Als ich dann lange genug in ihrer Schußlinie stand, fuhr ich so schnell wie möglich unter die Vorbauten der Terrassen, so daß sie mich nicht mehr sehen konnten und mich auch nicht mehr anspucken. Als ich dann in Sicherheit unter den Vorbauten war, fing ich an, mich maßlos aufzuregen, und schrie von unten rauf einige ganz gewaltige Schimpfwörter. Dabei muß die Mutter der Engelchen, so wie sie sie immer nannte, auf die Terrasse gekommen sein und mußte mich da unten schimpfen hören, was ihr ja gar nicht gepaßt haben muß. Als ich fertig war mit meiner Schimpfwortkanonade, fuhr ich zum Haupteingang und klingelte, daß mir jemand zu Hilfe kommt, damit ich wieder in die Wohnung komme, da ich es allein nicht schaffen konnte, da ca. neun Stufen dazwischen waren. Mutti kam dann raus und half mir in die Wohnung. Dort fuhr ich gleich ins Bad und wusch mir das Gesicht und die Haare, und da ich sowieso kurze Haare hatte, waren sie auch schnell wieder trocken. Dann fuhr ich ins Wohnzimmer und schaute meiner Mutter zu, wie sie Daniela fütterte. Ich wollte ihr an und für sich sagen, was gerade vorgefallen war, aber dann hielt ich es doch für besser nichts zu sagen, aus Angst, daß ich selber ein paar Ohrfeigen kassieren würde, wegen meiner Schimpfworte, die ich selbst abgefeuert hatte, und was ja auch bei uns verboten war, mit solchen Ausdrücken rumzuwerfen.
    Kurz nach fünf kam dann Pappa von der Arbeit nach Hause und er schien heute sehr gut gelaunt zu sein, denn er sang leise vor sich hin. Nach dem Abendessen, als alle im Wohnzimmer vor dem Fernsehen saßen, klingelte es auf einmal an der Haustür und Pappa und Mutti schauten sich fragend an, was das wohl sein könnte. Pappa stellte sein Bier auf den Tisch und ging dann auf die Haustüre zu und schaute durch den Spion. Er drehte sich dann um und sagte zu Mutti, es ist die Nachbarin Frau Meier von nebenan, was will die denn hier um die
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