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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen
Autoren: Fritz Mertens
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Frühstückstisch. Ich aß nichts, sondern trank nur mit zittrigen Händen eine Tasse Kaffee.
    Um neun Uhr kam dann mein Chef und setzte sich zu mir an den Tisch. Bevor er angefangen hat zu sprechen, fing ich richtig an zu heulen. Ich wollte es nicht, aber es kam ganz plötzlich über mich.
    Als ich mich dann wieder beruhigt hatte, meinte mein Chef, daß ich freinehmen könnte und nach Villingen fahren. Das Angebot schlug ich aus, denn ich wußte, wenn ich nun freinehmen würde, daß ich spätestens am Mittag stinkbesoffen gewesen wäre, und ich wollte vor Pappas Beerdigung nicht mehr besoffen sein, an keinem Tag. So arbeitete ich noch am Freitag und am Samstag. Am Sonntag nahm ich frei, weil am Montag die Beerdigung sein sollte. Ich war vor Pappas Beerdigung nicht ein einziges Mal besoffen, so wie ich es mir geschworen hatte.
    Die Beerdigung vollzog sich nur im engsten Verwandten-kreis. Bei der Beisetzung waren Opa, Oma, Mike, Gidion, Edeltraut, Pappas Schwester, Ralf, Uwe, Daniela und ich. Ein Geistlicher der Zeugen Jehovas sprach ein paar Worte, und das war auch schon alles. Wir weinten fast alle am Grab von Pappa, und Daniela am meisten. Zwei Tage nach Pappas Beerdigung fing ich wieder an zu arbeiten.
    Nun hatte ich also gar keinen Menschen, an den ich mich hätte wenden können, wenn ich mal wirklich eine Stütze gebraucht hätte. Aber ich kam gut zurecht und hatte nach ein paar Wochen Pappas Tod schon ziemlich überwunden.
    Im November hatte ich Urlaub und gegen Ende meines Urlaubs auch noch mal Blockunterricht in der Berufsschule.
    Mike, mein Onkel, schlug mir vor, daß ich während des Urlaubs und der Schule bei ihm wohnen sollte, und ich nahm das Angebot an. So zog ich für die ersten zwei Wochen zu meinem Onkel, denn ich wollte die anderen zwei Wochen bei einer Großtante in Köln verbringen. Nun lernte ich mein Tantchen Rita besser kennen und auch ihre Eheverhältnisse. Da Rita nicht arbeitete, war sie den ganzen Tag über zu Hause.
    Wir waren am Anfang gute Kumpels und spielten Romme, alberten rum und manchmal rauften wir uns auch aus lauter Übermut. Ich sah Rita nun nicht mehr als meine Tante, sondern als Frau. Ich verliebte mich total in sie, aber ich ließ es sie nicht merken. Genauso war es auch andersrum, denn sie hatte sich auch in mich verliebt. Von Mike wurde sie wie ein Untertan behandelt, und das ging mir gewaltig auf den Wecker.
    Sie machte alles für ihn und er war meiner Meinung nach nie zufrieden. Ein paar Tage bevor ich nach Köln fuhr, schlossen Rita und ich unsinnigerweise eine kleine Wette ab, und der Preis war, daß derjenige der verliert, dem anderen einen Kuß geben mußte. Rita hatte die Wette verloren, und sie hielt die Wette und gab mir einen flüchtigen Kuß auf den Mund, so wie es abgemacht war. Darauf versprach ich ihr, daß wenn ich von Köln zurückkomme, ich ihr auch einen Kuß geben würde. Sie glaubte mir nicht und machte sich lustig über mich und meinte, daß ich dazu zu feige sei.
    Die zwei Wochen meines Urlaubs waren nun rum und ich fuhr nach Köln, meine Großtante Herta besuchen. Die ersten Tage waren nicht so schlimm, aber ich mußte dauernd an Rita denken. Ich dachte dann nur noch an Rita, und ab und zu trank ich ein Bier, aber es wurde nicht besser, und so trank ich eben mehr Bier. Als es mir dann besser ging, war ich besoffen. Am nächsten Tag ging es wieder los, und ich wünschte mir, doch nur in Ritas Nähe zu sein. Ich dachte an ihre Figur, ihr Wesen und ihre Engelsaugen. Kurzentschlossen fuhr ich nach sieben Tagen wieder nach Hause, da ich bald verrückt wurde, wenn ich nur an Rita dachte. Ich hatte für sie solch eine Zuneigung entwickelt, daß ich Sehnsucht nach ihr hatte. Aber gleichzeitig wurde mir wieder bewußt, daß sie verheiratet und auch noch meine Tante war. Als ich wieder in Villingen war, ging ich zuerst mal zu Oma und Opa und sagte ihnen guten Tag, und ich hatte ja für jeden von ihnen auch ein Geschenk mitgebracht.
    Danach ging ich zu Rita, und wir tranken Kaffee, und ich erzählte ihr von Köln. Mein Versprechen, ihr einen Kuß zu geben, hielt ich anfangs nicht. Am zweiten Tag meiner Rückkehr saßen Rita und ich allein im Wohnzimmer. Ich ging in die Küche, um etwas zu trinken. Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, ging ich hinter Ritas Sessel. Dann umfaßte ich zärtlich ihren Kopf und sie legte ihn langsam zurück in den Nacken. Ich gab ihr dann den versprochenen Kuß. Es war diesmal kein flüchtiger Kuß. Nein, er war mit völliger Hingabe
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