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Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Titel: Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
Autoren: Beltz & Gelberg
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mein Bett damit einzuduften, damit ich mir einbilden kann, du wärst da.«
    Seine Worte jagen Stromstöße durch meine Nervenbahnen. Wie ist das nur möglich, dass er mich allein mit seiner Stimme so elektrisiert?
    Sven streicht sanft über mein Kinn, wendet mein Gesicht nach oben und küsst mich zärtlich mit geschlossenen Lippen. Als ich ihn ansehe, sind seine Augen ganz schwarz.
    »Das mit dem Tee müssen wir ein andermal nachholen. Und bitte, lass es mich wissen … falls du mit Nils Schluss machst. Scheiße, ich komm mir so mies vor. Nils ist ein netter Kerl. Aber … ich will dich, Vendela. Mehr als alles andere.« Er macht ein paar Schritte nach hinten, dreht sich um und geht.
    Ich kriege keinen Ton heraus. Halte mich stumm an der Spüle fest, paralysiert und völlig überrumpelt von dem heißen Pulsieren und dem Gefühlsrausch in mir.
    Hinter mir fängt das Teewasser an zu kochen und der Kocher schaltet sich mit einem lauten Klick automatisch aus. Vorsichtig lockern meine Finger ihren Griff, der Tee interessiert mich mit einem Mal überhaupt nicht mehr. Ich gehe in mein Zimmer und werfe mich aufs Bett, schnappe mir das Kissen und drücke es fest an mich.
    Sven, Sven, Sven.

Die Nacht bewegt sich in Zeitlupe voran. Hellwach sehe ich die Ziffern auf dem Radiowecker umspringen, und hellwach versuche ich ein wenig Ordnung in meine Gedanken zu kriegen, zu verstehen, was ich machen kann und was ich machen soll und in welcher Reihenfolge. Und währenddessen vergehe ich fast vor Sehnsucht. Warum wird das nicht weniger? Das muss sich zwischendurch doch auch mal wieder legen. Mit quälender Intensität stört dieses Gefühl jeden zusammenhängenden Gedanken, kompromisslos verhindert es jede Alternative. Ich will ihn, ich muss Nils enttäuschen, ich habe keine andere Wahl.
    Jetzt geht es um Schadensbegrenzung.
    Papa hat mal gesagt, dass das im Grunde genommen der Sinn des Lebens ist, Schadensbegrenzung. Das ist nicht wenig verlangt von einer wandelnden Katastrophe wie mir.
    Tonjas Mutter weckt Tonja jeden Morgen um Punkt sieben Uhr. Als mein Radiowecker auf 07.01 umspringt, rufe ich sie an. Sie antwortet im Halbschlaf.
    »Ich bin’s«, sage ich.
    »Hallo«, sagt Tonja und klingt schon ein bisschen wacher.
    »Ich muss … mit Nils Schluss machen«, sage ich.
    »Was?«
    Ich wiederhole, was ich gerade gesagt habe, danach ist es ein paar Sekunden still in der Leitung.
    »Ich dachte, du rufst wegen Silja und Emil an«, sagt Tonja. »Mir geht’s hundsmiserabel deswegen … Und was ist mit Nils? Habt ihr euch gestritten?«
    »Nein, nein, nein … er ist ein super Typ und ich mag ihn wirklich … aber ich bin in Sven verliebt.«
    Wieder Stille.
    »Was?«
    »Ich bin in Sven verliebt. Ich kann nichts dagegen tun.«
    »Aber Vendela … alle sind in Sven verliebt, das ist doch ganz normal.«
    »Nicht so!«, falle ich ihr ins Wort. »Richtig. Ich kann nicht mit Nils zusammen sein. Wir haben irgendwie … den richtigen Zeitpunkt verpasst. Wären wir nicht solche Feiglinge gewesen und hätten unsere Hintern etwas eher hochgekriegt, wäre ich vielleicht nie auf dieses Fest gegangen und es … wäre wahrscheinlich nie so gekommen … Ach, was weiß ich. Aber es geht nicht mehr. Verstehst du, was ich meine?«
    Tonjas Lachen kollert wie Popcorn aus dem Hörer in mein Ohr.
    »Du bist echt verrückter, als ich dachte!«, sagt sie lachend. »Aber okay, wenn du das sagst, wird es wohl so sein. Armer Nils.«
    »Ja.«
    »Bist du noch sauer auf mich?«, fragt sie.
    »Nein.«
    »Danke. Das war wirklich keine böse Absicht. Ich mag Silja zwar nicht, und ich finde auch bescheuert und falsch, was sie getan haben, aber ich wollte doch niemals …«
    »Ich weiß.«
    »Und was passiert jetzt? Mit Emil?«
    »Keine Ahnung. Silja ist gestern direkt zum Sekretariat gelaufen. Was danach passiert ist, weiß ich nicht, ich bin auch nach Hause gegangen.«
    Tonja seufzt. Oder gähnt.
    »Na … dann gehen wir wohl mal am besten in die Schule und gucken, was sich dort getan hat«, sagt sie. »Und du machst Schluss mit Nils.«
    »Ja«, murmele ich.
    »Du bist echt behämmert. Wie kann man den netten und zuverlässigen Nils für so einen wie Sven aufgeben?«
    »Ich weiß.«
    »Immerhin. Bis gleich.«
    »Hm.«
    Ich drücke das Gespräch weg, stehe auf und gehe ins Bad. Ich sehe mich im Spiegel an und denke an Svens Worte. Das Gesicht, das mir entgegenguckt, und das, was er gesagt hat, passen irgendwie nicht zusammen. Wieso hat er sich in mich verliebt?
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