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Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Titel: Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
Autoren: Beltz & Gelberg
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sagt sie schließlich und geht zur Tür.
    Ich erinnere mich an mein Gelöbnis, meine Turnschuhe zu verspeisen, wenn Line eines Tages Hand in Hand mit Leo anspaziert kommt. Inzwischen scheint nichts mehr unmöglich. Und allmählich beginnt es mir zu dämmern, dass gar nicht Silja die Grenzen verschiebt. Sie überschreitet nur imaginäre, von uns gezogene Grenzlinien, die sie manchmal gar nicht zu sehen scheint. Und dann wieder trampelt sie demonstrativ darüber, um uns zu provozieren. Nur mit Emil ist sie nun offensichtlich an eine Grenze gestoßen, mit der sie nicht gerechnet hatte.
    Bei den Schränken halte ich nach Tonja Ausschau, aber sie ist nicht da. Silja sieht verbissen entschlossen aus, als sie mit dem Biologiebuch unterm Arm ankommt. Gleich wird sie Emil Auge in Auge gegenübersitzen.
    »Ich gewöhne mich wohl besser so schnell wie möglich dran«, sagt sie. »Von so ein bisschen Liebeskummer lass ich mich doch nicht unterkriegen!«
    Vor der Klasse treffen wir Lukas und Nils.
    »Da bist du ja«, sagt Nils, als er mich sieht. »Wir haben dich schon gesucht.«
    »Wo ist Tonja?«
    »Bei der Schulschwester. Ihr ist eine Tür gegen die Augenbraue geknallt. Es ist nichts Schlimmes, hat aber geblutet wie Sau.«
    »Wie ist das denn passiert?«, frage ich.
    Nils grinst. »Wahrscheinlich hatte sie nur Augen für Lukas, als sie in die Klasse gehen wollte.«
    »Das ist nicht komisch!«, brummt Lukas.
    Björn hat schon aufgeschlossen. Ich sehe Siljas Blick durch den Raum wandern, aber Emil ist noch nicht da.
    Der Unterricht beginnt. Ohne Tonja und ohne Emil.
    Ich weiß nicht, ob Silja enttäuscht ist oder erleichtert. Sie zwirbelt eine dunkle Locke um den Zeigefinger und scheint Björns Ausführungen über die Zellfunktionen zu lauschen. Aber vielleicht denkt sie auch an ganz andere Dinge. Etliche der anderen Mädchen aus der Klasse sehen jedenfalls enttäuscht aus. Madeleine fragt Björn, wo Emil ist, und bekommt die vage Antwort, er sei bei einer Besprechung und werde es wohl nicht mehr bis zum Ende der Stunde schaffen. Tonja kommt auch nicht. Sobald es klingelt, schnappe ich mir mein Handy und schicke ihr eine SMS.
    Keine halbe Minute später vibriert mein Handy ausdauernd.
    »Hallo«, sagt Tonja. »Ich muss mit dir reden. Bist du allein?«
    »Hallo«, sage ich. »Wie geht es dir? Ist es schlimm?«
    »Nein, nein! Marielle hat die Wunde getapt, damit keine Narbe zurückbleibt, danach hat sie mich nach Hause geschickt. Aber ich muss … Bist du allein?«
    Sie klingt so verzweifelt, dass ich Silja, Lukas und Nils entschuldigend zuwinke und mich etwas zurückziehe.
    »Jetzt ja«, sage ich. »Warum? Es kann doch eh niemand hören, was du mir am Telefon sagst. Was ist los?«
    Tonja seufzt. »Ich habe Mist gebaut … Du weißt ja, dass Marielle Mamas Cousine ist, und ich kenne sie ziemlich gut. Na ja, wir haben ein bisschen geplaudert, und dann hat sie sich nach dir erkundigt, und da hab ich gesagt, dass du bei Silja bist, die grad nicht so gut drauf ist … Das eine hat zum nächsten geführt, ich wollte eigentlich gar nichts sagen … Und ich hab nicht überlegt, was das für Konsequenzen haben könnte, Schulschwestern haben schließlich Schweigepflicht …«
    Ganz langsam fällt der Groschen und das kalte Grausen breitet seine Flügel in mir aus. Ich sehe mich um. Lukas steht nur wenige Meter von mir entfernt und wirft mir besorgte Blicke zu. Ich schüttele abwehrend den Kopf und gehe weiter weg.
    »Du willst damit doch nicht sagen, dass du es ihr erzählt hast?«, frage ich heiser.
    Tonjas Antwort lässt ein paar Sekunden auf sich warten.
    »Doch«, sagt sie und hickst, als würde sie schluchzen. »Ich wollte das gar nicht … Marielle ist total ausgeflippt und wollte direkt zum Rektor! Ich habe wirklich versucht, sie davon abzuhalten, aber … nichts hat geholfen!«
    Ich drehe mich um. Silja lehnt mit dem Rücken an der Wand und wartet auf mich. Sie kratzt an einem Fingernagel.
    »Emil war nicht im Unterricht«, sage ich. »Björn hat gesagt, er sei bei einer Sitzung. Scheiße, Tonja!«
    »Ich hab doch gesagt, dass das keine Absicht war!«, antwortet Tonja.
    »Ich muss los«, sage ich.
    Dann lege ich auf und stecke das Handy in die Tasche.

Kaum glaubt man, das Durcheinander würde sich etwas lichten, bricht das Chaos von Neuem los. Silja wird mir niemals verzeihen, dass ich Tonja von ihr und Emil erzählt habe! Und das geschieht mir auch recht.
    Nils und Lukas kommen mir entgegen, als ich auf dem Weg zurück in
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