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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist
Autoren: Nina Lacour
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dem Haus standen. »Trink Bier, quatsch über alle scharfen Weiber und verdrück dich mit Taylor in das Elternschlafzimmer.«
    »Ernsthaft?«
    Sie zuckte die Achseln. »Na ja, du könntest auch einfach schwimmen.«
    Ich schwimme. Langsam, tief genug, um mit den Händen den glatten Boden zu berühren. Jemand streift meinen Rücken. Taylor. Wir küssen uns unter Wasser. Als wir auftauchen, hängen Wassertropfen an seinen Wimpern.
    »Halt mal still«, sage ich. Er schließt die Augen, und ich lecke die Tröpfchen ab. Ich schmecke Chlor und Sommer.
    »Du bist Tischlerin?«
    »Ja.«
    »Dylan hat das gerade erzählt. Und eine tolle Fotografin bist du auch!«
    Ich denke
und eine Tochter und eine Freundin
. »Danke.«
    Ich schließe die Augen und versuche, mich in all diesen Rollen zu sehen. Fast gelingt es. Ich mache die Augen wieder auf und strahle.
    »Du bist schön«, sagt er.
    »Du bist schön.«
    Wir schwimmen zur gegenüberliegenden Seite. Ich wünschte, ich hätte eine Unterwasserkamera, damit ich festhalten könnte, wie seine Haare um seine Ohren schweben. Die Bewegung seiner Fußknöchel, als er durch den Pool schwimmt.
    Stunden vergehen. Taylor und Jayson liegen draußen in Liegestühlen und führen eine blöde Unterhaltung über Supermächte.
    Dylan und ich liegen auf dem Rasen.
    »Wie ist es eigentlich, wenn du mit Maddy knutschst?«, frage ich.
    Dylan hebt die Augenbrauen. »Das ist eine überraschende Frage.«
    »Wir haben über alles andere geredet. Warum nicht über so was?«
    Sie zuckt die Achseln.
    »Über so was unterhalten sich Freundinnen normalerweise. Komm, wir versuchen es einfach.«
    Sie dreht sich auf den Rücken und schaut hoch. Die Sonne geht unter. Die Hügel werden von orange- und rosafarbenen Streifen umrandet.
    »Komm, sag mir zwei Adjektive, wie Maddy küsst.«
    Dylan legt die Hände aufs Gesicht und grinst. Ich rücke näher an sie ran.
    »Selbstbewusst«, sagt sie. »Anmutig.« Sie späht zwischen ihren Fingern hindurch.
    »Du wirst rot!«, quieke ich. »Du bist noch nie in deinem Leben rot geworden.«
    »Das stimmt nicht.« Sie lacht.
    »Warum wird sie rot?«, schreit Taylor von der anderen Gartenseite.
    »Und Taylor?«, flüstert sie.
    »Wunderbar«, flüstere ich zurück. »Süß.«
    Manche Gäste gehen. Im Haus wird es still. Taylor, Jayson, Henry, Dylan und ich teilen uns draußen eine Riesenpizza, die Henry bestellt hat. Alle reden, lachen, aber Henry kaut nur und starrt in die Nacht. Die Luft wird kühler. Ich gehe ins Haus. Henry sitzt in der Diele unter dem Familienporträt. Er war so still geworden, dass ich vorhin gar nicht gemerkt habe, dass er nicht mehr da war. Ich ziehe meinen zerknautschten gelben Pulli aus dem Rucksack. Doch statt gleich wieder rauszugehen, setze ich mich neben ihn auf den Rand des gigantisch großen Zimmerbrunnens.
    Wir schweigen. Er stiert auf seine Hände. Ich ziehe an den Enden von meiner Kapuzenschnur. Dann taucht er die Hand in den Brunnen und spritzt Wasser auf das Familienbild.
    »Das Leben ist beschissen«, teilt er mir mit.
    Ich nicke. »Kann schon sein.«
    Sein Gesicht ist rot vor Wut oder vor Verlegenheit, ich weiß es nicht. Ich schaue erst das Bild und dann ihn an, weil ich merke, dass er mich beobachtet.
    »Aber nicht immer«, sage ich. »Nicht immer, glaube ich.«

3
    Mein Baumhaus ist fertig. Vielleicht ist fertig nicht das richtige Wort. Ich sage lieber: Mein Baumhaus ist komplett.
    Es hat eine stabile, drei Meter hohe Leiter. Es hat sechs Wände und eine Türöffnung und große Fensteröffnungen in allen Wänden, damit Licht und Luft hereinkönnen. Der Stamm wächst durch die Mitte des großen Bodens, seine Rinde ist dick und rau. Das Dach ist mehr als zwei Meter hoch – ich musste es von einer Stehleiter aus bauen. Dad half mir dort, wo ich nur schwer rankam, und hielt die Balken, während ich hämmerte, und half mir zu stemmen, was zu schwer war.
    Mom hat den Orientteppich reinigen lassen, und jetzt leuchten die Farben viel kräftiger als neulich in der Garage. An einen kleinen Ast vor einem Fenster habe ich das Vogelhaus gehängt. Auf einem Flohmarkt habe ich einen total bequemen, weichen Sessel gekauft und in eine Ecke gestellt. Die Weinkisten aus der Garage sind jetzt Tischchen, auf einer steht eine Blumenvase neben dem gerahmten Selbstporträt von Ingrid, und in dem alten Leuchter aus Dads Hippiezeiten stecken Kerzen. In einem Laden in der Mall habe ich sechzehn schlichte schwarze Rahmen für meine
Geister
-Serie gekauft. Dann
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