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Ich weiß, ich war's (German Edition)

Ich weiß, ich war's (German Edition)

Titel: Ich weiß, ich war's (German Edition)
Autoren: Christoph Schlingensief , Aino Laberenz
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sie aber baff! Kein Widerwort, aber sie hat gemerkt, dass sie nicht die Erste und auch nicht die Einzige war, die mir mit so einem Verhalten begegnet.
    Ich ärgere mich auch, dass ich in solchen Momenten so kleinkariert bin, aber momentan habe ich kaum Kraft und fühle mich mehr am Ende als an einem Anfang. Ich hoffe so sehr, dass sich alles noch mal zu einer Verlängerung hin entwickelt. Gottes Spielzeitverlängerung? War ja bis jetzt schon ein ziemliches Wunder, mit wie viel Kraft ich da immer wieder versorgt wurde. Als gäbe es Versorgungsschläuche aus dem All. Aber jetzt sind Aino und ich in einem sehr tiefen Tal gelandet. Und der Schmerz schneidet mich teilweise in Stücke. Habe ich das schon geschrieben? Ich vergesse vieles wieder.
    Also eigentlich habe ich kein gutes Gefühl für die nächsten Monate, aber vielleicht ist mir Gott gnädig. Und vielleicht kann ich auch ein Stück Gott in mir entdecken oder mich als Teil von ihm finden. Bei diesen vielen Universen, die sie da täglich finden … Irgendwann, irgendwo muss es doch Rums gemacht haben – und das beschäftigt mich mehr als der Papst in seinen Kinderschühchen. Es ist schön, sich in Gott geborgen zu fühlen, aber ich habe manchmal große Anschlussprobleme. Das verstehe ich nicht. Wo doch früher alles so einfach war. All der Kram, den ich getrieben habe, alle Risiken und Anmaßungen waren immer wieder auch Ausdruck von großem Vertrauen zu einem höheren System, das solche Dinge ganz klar einfordert und sich darüber freut, dass einige Leute ab und zu mal den Blick unter den Tisch oder in den Kanal richten.
    Alles sehr schwer gerade! Bin auch sentimental. Manchmal sage ich mir: Du hättest auch weniger machen können. Aber das stimmt irgendwie auch nicht. Die Sachen, die ich gemacht habe, haben sich doch alle aus einem starken Eigensinn entwickelt. Sie haben sich wunderbar eine aus der anderen entwickelt. Und wenn drei Nieten dabei waren, dann waren die wichtig, um beim vierten Projekt richtig aufzugehen. Nur rumsitzen und sparsam sein mit der Energie kann doch keine Wärme erzeugen. Und bei all diesen Sachen mit meiner Mannschaft (denn ohne meine Mannschaft, ohne dieses Alle-zusammen wäre es doch nie zu so vielen Dingen gekommen) war es manchmal brüllend heiß. Das haben dann auch viele Menschen in der Seele mitgenommen. Die lauen Lüftchen und sparsamen Ofenheizer – machen die denn an? Ist denn das der Sinn der kreativen Walze, die sich aus dem eigenen Geist entwickelt? Es ist doch Geist, der auf die Umstände reagiert hat. Und nicht einer, den man nur für sich selber ausgemalt hat. Das empfinde ich mittlerweile nur noch als bequem, selbstgefällig. Die sparsamen Ofenheizer brüten eine Idee in zwölf Monaten aus, kultivieren sie und stehen dann wichtig daneben, neben ihrer wahrscheinlich erfolgreichen Hausmannskost. Ach was soll’s! Ich komme mir wieder kleinkariert vor. Lass die Leute einfach machen. Aber dran teilnehmen muss ich ja nicht. Genauso wie auch niemand an meinen Dingen teilnehmen musste.
    Die Freiheit des Universums ist auch nichts für jeden. Da lieben sie dann doch eher das Häuschen am Prenzlauer Berg mit kleinem Gärtchen, den ständig weinenden Kindern und den gut kostümierten Eltern, die endlich da angekommen sind, wo es brummt. Denken sie. Sollen sie es ruhig denken. Ich gucke mir das nur noch an. Jedem Tierchen sein Pläsierchen.
    Wenn alles klappt, werde ich noch in diesem Monat innerhalb von zehn Tagen einen Spielfilm in Berlin drehen. Das klingt vielleicht absurd, aber nicht absurder als dieses Sterbensollen. Mein letzter Film, mein Abschiedsfilm. Davon gehe ich jetzt zumindest aus. »Satansbraten« trifft Bestrahlungsröhre trifft »Effi Briest« trifft »Chinesisches Roulette«. Es geht um das Sterben, nicht mehr ums Sterbenlernen. Um die Abrechnung kurz vor Schluss, auch um die unendliche Sehnsucht, nicht als Depp gehen zu müssen. Und um die Hoffnung, nicht am Ende noch alles kaputt zu machen. Milan Peschel wird mich spielen, einen siechenden, schmerzerfüllten, unter Morphium stehenden Regisseur, der nur noch wenige Tage hat, aber noch mal ein großes Happening drehen will. Viele gute Freunde reisen an, aber auch dubiose Wunderheiler, die selbst schwer kranke Mutter, Schauspieler, die immer schon mal mit ihm arbeiten wollten, aber auch Leute, die ihn schon immer scheiße fanden, natürlich auch die Presse. Letzte Interviews, Priester, Gedanken zum Sterben und die plötzliche Nachricht, dass vier seiner besten
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