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Ich weiß, ich war's (German Edition)

Ich weiß, ich war's (German Edition)

Titel: Ich weiß, ich war's (German Edition)
Autoren: Christoph Schlingensief , Aino Laberenz
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eine andere wäre, mal ausführlicher, mal zugespitzter. Bei meiner Arbeit an diesem Buch musste ich ihm nur zuhören. Seinen Überlegungen und Bezügen, seinen Lücken, seinen Zeitsprüngen. Den Irritationen. So habe ich für dieses Buch die Transkription der Lesungen mit Christophs Tonbändern, Interviewpassagen, Blogeinträgen und E-Mails an Freunde kombiniert, Material, das Christoph größtenteils noch selbst zusammengestellt hat, weil ihm die dort getroffenen Aussagen wichtig und für seine Arbeit wesentlich erschienen. Schließlich sind einige wenige Texte enthalten, die ich in Christophs schriftlichem Nachlass gefunden habe. Sie belegen an entsprechender Stelle Christophs Erinnerungen, intensivieren oder spiegeln sie, so z.   B. ein Schulaufsatz aus dem Jahr 1975, in dem Christoph seinen Traumberuf umschreibt.
    Die Quellen und ihre Montage skizzieren ein Leben, das in seiner Fülle, Vielfalt und Tatkraft unvollständig geblieben ist. Christoph wollte noch so viel, dass nach dem Lesen das Gefühl bleiben muss, nur einen Teil seiner Geschichte erfahren zu haben. Trotzdem: Es ist ein Leben. Es ist Christophs ganz großes »Ja!« zu diesem Leben. Die Geschichte müsste weitergehen, weitererzählt werden. Dass das Buch mit Christophs Entwürfen zu einem neuen Filmprojekt endet, mag das belegen.
    Meine Absicht war es, ihn ohne große Eingriffe zu Wort kommen zu lassen, ihn selbst seine Gedanken gewichten zu lassen. Christoph erinnert und erzählt, was ihm zur Zeit der Aufzeichnungen wichtig gewesen ist. Mit einem unsentimentalen, oft humorvollen Blick zurück, der zugleich klar nach vorne gerichtet war. Mir war vor allem wichtig, dass sein Gedanken- und sein Sprachfluss erhalten bleiben. Was Christoph sagt, soll pur klingen, nicht paraphrasiert, nicht dramatisiert. Das Buch soll seinen Tod nicht als Drama inszenieren, als sei es ein Spiel oder der letzte Akt eines Theaterstücks. Nicht vom Tod handelt dieses Buch, sondern vom Leben.
    Die volle Haftbarkeit, die Christoph in seiner Arbeit und in seinem Leben von sich verlangte, prägt dieses Buch. Darum ist der Titel so einfach wie aussagekräftig. Der Leser kann sicher sein, dass Christoph sich dem Bekenntnis »Ich weiß, ich war’s« verpflichtet fühlte. Den Titel hatte er selbst gewählt. Für Christoph stand er fest, also stand er auch für mich nicht mehr infrage. Weil er für die geforderte Vollhaftung steht, für das Prinzip der Selbstprovokation. Weil er für Christoph selbst steht.
    Ich hoffe, dass »Ich weiß, ich war’s« Christoph in seiner Vitalität zeigt, die ihn bis zuletzt ausgemacht hat und die seine Arbeiten immer noch ausmacht. Er hatte uns viel zu sagen. Er hat uns noch immer viel zu sagen. Ich hoffe sehr, dass man sich in Christophs Kosmos hineinbegeben und miterleben kann, wie er seine Fäden zieht, wie er Zusammenhänge herstellt. Wie Wirklichkeit und Kunst kollidieren und miteinander verwoben werden. Und ich wünsche mir, dass seine Gedanken freigelassen werden, dass die Beschäftigung mit Christoph, seinem Leben und seiner Arbeit für den Leser am Ende dieses Buchs gerade erst beginnt.
    Berlin im August 2012

Zwischenstand der Dinge I
    So, heute ist der 31. Juli 2009. Es ist viel passiert, seitdem ich das letzte Mal in meine Maschine hier gesprochen habe, darüber kann ich vielleicht später noch mal etwas erzählen. Eigentlich erzähle ich die Dinge auch wieder mehr mir selbst – jedenfalls versuche ich’s erst einmal. Ich bin inzwischen natürlich weitaus distanzierter, nicht so aufgerissen wie damals im Krankenhaus, auch nicht so ausgeliefert. Allerdings merke ich, dass in den letzten Wochen doch einiges anders geworden ist in mir drin. Es wächst immer mehr diese komische Angst, dass doch alles nur eine zeitlich begrenzte Angelegenheit ist, und zwar nicht eine von zwanzig Jahren oder dreißig Jahren, sondern eine Zeitbegrenzung, die mir einfach nur Kummer bereitet. Weil ich denke, es könnte auch sein, dass man schon nächstes Jahr weg ist. Also dass ICH schon nächstes Jahr weg bin.
    Denn mein Körper gefällt mir gar nicht mehr, der ist eine sehr schwere Unternehmung. Ich fühle mich nie mehr so richtig leicht, alles ist fremd und es drückt mich unglaublich in der Seelengegend. Wenn ich sagen sollte, wo die Seele liegt, dann würde ich sagen: im Brustraum. Und ich habe komischerweise auch nicht mehr die Hoffnung, dass das alles jetzt wieder wie neu wird, sondern ich spüre so etwas wie Stagnation. Kann auch daran liegen, dass
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