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Ich und andere uncoole Dinge in New York

Ich und andere uncoole Dinge in New York

Titel: Ich und andere uncoole Dinge in New York
Autoren: Julia K. Stein
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hat mich schon abhakt.
     
    Am frühen Abend sitzen wir an runden Tischen hinter dem Haus. Teller und Besteck liegen unregelmäßig und die Tischbeine sinken tief ins Gras ein. Meine Mutter hat einen bunten Sarong an, als wäre sie eine indische Prinzessin, und Dave trägt ein Ringelshirt und Leinenhut wie Picasso. Optisch haben sie sich wirklich gefunden.
    „Wir haben uns für ein lässiges Ambiente entschieden. Und alles öko“, raunt meine Mutter mir zu, die mit Dave alle Tische abklappert, um sich nach dem Wohlergehen ihrer Gäste zu erkundigen. Immerhin, ernährungstechnisch hat sie sich verbessert. „Ich habe schon drei Bilder verkauft. Der Galerist meint, dass es super gelaufen ist.“ Sie strahlt. „Sieht der Garten nicht wundervoll aus?“
    Ich muss ihr recht geben. Farbige Laternen schwingen in den Bäumen über grünen und blauen Tischdecken. An der Seite steht ein vegetarisches Buffet mit glänzenden Auberginen, Tomaten, die von der Ofenhitze aufgesprungen sind, bunten Salaten, Flaschen mit Säften und Wein. Neben mir sitzt Leo. Er ist nett, obwohl er schon fünfunddreißig ist, wie er mir direkt gestanden hat. Ich fahre mir mit der Hand über die Beine, um Insekten zu verscheuchen, aber es sind nur Gräser, die in meine Waden pieken. Ich suche Adam unter den Gästen. Er sitzt an einem anderen Tisch mit seinen Eltern und Meredith, die erst zum Essen gekommen ist und mit der ich noch nicht gesprochen habe. Falls sie noch mit mir spricht. Daneben sitzen Rachel und sogar Amal. Amal hat mich vorhin betont normal begrüßt. Adam hat sich noch kein einziges Mal nach mir umgedreht.
    „Ich habe meine guten Beziehungen genutzt, um diesen privilegierten Platz zu bekommen“, sagt Leo mit einem breiten Lächeln, als Dave und Regine weitergezogen sind.
    „Welche guten Beziehungen denn?“
    „Na, die zu meinem Vater.“
    „Wer ist denn dein Vater?“
    Leo sieht mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. „Dave.“
    „Ach so, klar. Du bist ja Adams Cousin.“ Ich sehe ihn noch einmal an und endlich fällt mir die eigentlich unübersehbare Ähnlichkeit mit Dave auf.
    „Ich glaube, du hast Adam den Kopf verdreht“, grinst er vertraulich.
    „Glaubst du?“, frage ich verunsichert zurück.
    „Hat er mir erzählt.“
    „Ach ja.“
    „Ja, schon vor ein paar Wochen.“
    Vor ein paar Wochen. Natürlich. Da war alles anders. Ich blicke ihn unsicher an.
    „Ist es nicht schön hier? Nicht ganz so waspy wie in den Hamptons. Montauk ist mein Lieblingsort auf Long Island“, bemerkt Leo zum Glück, ohne weiter auf Adam einzugehen.
    „Waspy?“, frage ich.
    „White Anglo-Saxon-American. Damit meint man die Leute, die altes Geld haben. Wenn ihre Kinder in die Gesellschaft eingeführt werden sollen, veranstalten sie Feste, auf denen die Mädels weiße Ballkleider tragen. Ganz alte Schule. Du brauchst ein Haus in den Hamptons, also East Hampton oder Southampton, einen Retriever und Kinder in den konservativen Internaten in Neu-England für den Lifestyle.“
    „Das hört sich ein bisschen nach alter Adel aus Europa an. Die rennen schon seit Generationen in Reitstiefeln und Wachsjacken mit Jagdhunden herum. Ich dachte, in Amerika ist es egal, ob man altes oder neues Geld hat.“
    „Vielleicht in Kalifornien. In New York ist das ein großer Unterschied.“
    Er ist wirklich nett. Er tut mir leid, weil ich so gar keine Energie für Smalltalk übrig habe. In diesem Moment kommt Ben an unseren Tisch. Im Schlepptau zieht er Gretchen hinter sich her. Es wirkt gar nicht ungewohnt, sie zusammen zu sehen. „Wow!“, sage ich trotzdem. „Das ist eine Überraschung.“
    „Ja“, sagt Ben nicht ohne stolz.
    „Hallo, alles klar?“, fragt Gretchen betont zwanglos.
    „Jetzt tu mal nicht so, als wäre das normal, dich hier zu sehen“, sage ich zu Gretchen, so ehrlich und direkt, wie ich noch nie etwas zu ihr gesagt habe.
    Gretchen sieht tatsächlich ein wenig verlegen aus. „Ich hatte Mitleid mit ihm. Er sah so elend aus. Da habe ich ihn von der Straße aufgelesen.“
    Benjamin sieht sie gespielt beleidigt an. Sie berühren sich unentwegt, halten sich an der Hand oder fassen einen Zipfel der Kleidung des anderen an.
    „Wir sitzen an eurem Tisch“, sagt Gretchen und setzt sich neben Leo. Sie sieht in ihrem hautfarbenen Kleid aus wie eine Elfe. Es fehlen nur die durchsichtigen Flügel. Ihre Haare werden von einem brombeerfarbenen Schmetterling aus dem Gesicht gehalten. Als Gretchen sich umdreht, um jemanden zu
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