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Ich und andere uncoole Dinge in New York

Ich und andere uncoole Dinge in New York

Titel: Ich und andere uncoole Dinge in New York
Autoren: Julia K. Stein
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begrüßen, bilde ich mit den Fingern ein Victory-Zeichen in Richtung Ben. Er grinst, aber er scheint schon vergessen zu haben, dass er auch keinen Erfolg hätte haben können, so selbstbewusst sieht er aus.
    Dann wird sein Gesicht ernst. „Diesmal ist es anders“, sagt er leise. „Ich liebe sie.“ Er stützt eine Hand in die Hüfte, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, und fährt fort: „Ich weiß, dass das alle sagen. Aber es ist wahr. Und sie liebt mich.“
    „Ich hoffe nicht nur wegen deines Bankkontos“, rutscht es mir heraus.
    „Ich weiß, ich weiß. Sie steht auf Kohle. Doch sie denkt, ich sei total abgebrannt, und hat sich trotzdem breitschlagen lassen. Großartig, nicht wahr?“, flüstert er mir begeistert zu.
    Wir betrachten Gretchen von hinten. Ihre Haare glänzen im Licht der Laternen. Ein „abgebrannter“ Ben, der Porsche fährt: New Yorker Banker haben einfach andere Maßstäbe.
    In diesem Moment schlägt Dave mit einer Gabel an sein Glas. „Entschuldigung, meine Lieben. Keine Angst, ich werde nicht lange reden.“ Rote und gelbe Laternen werfen bizarre Schatten auf Daves Gesicht, wenn er sich bewegt. Oh nein. Ich sehe zu meiner Mutter, die Dave so begierig anschaut, als würde sie auf die Verlobungsverkündigung warten. Meine Hände verkrampfen sich unwillkürlich zu Fäusten. Jetzt kommt’s. Aber Dave schwafelt nur mit glänzenden Augen vom Talent meiner Mutter. Dann fühlt sich auch der Galerist noch verpflichtet, ein paar Worte zu verlieren, und dann sind sie endlich fertig und alle fallen über das Buffet her. Adam sitzt immer noch unbeweglich auf seinem Stuhl und sieht nicht ein einziges Mal zu mir.
    Bens Hand liegt auf Gretchens Rücken und rutscht dann nur so halb unauffällig an ihren Po. Sie berührt seinen Arm, seine Finger, legt ihre Hand an seinen Körper, als sei der Kontakt nötig, um den Stromkreislauf nicht zu unterbrechen.
    „Entschuldigung, ich habe noch was vergessen“, sage ich und stehe auf, bevor jemand nachfragen kann. Ich will nur noch weg. Inzwischen ist es dunkel geworden. Ich gehe ums Haus herum zur Straße. Ich fühle mich wie damals als Kind, wenn ich nachts heimlich aus der Balkontür in den Garten gelaufen und über den Zaun geklettert bin. Dann bin ich die Straßen in der Nachbarschaft entlanggelaufen, in ständiger Angst davor, entdeckt zu werden, weil ich natürlich im Bett liegen sollte wie andere zehnjährige Mädchen.
    Die Nacht ist so tiefschwarz, wie ich es nur aus Märchen kenne. In der Nähe des Hauses gibt es keine Straßenbeleuchtung und nur ein schwacher Mond leuchtet mir den Weg. Ich laufe zum Strand hinunter. Der Wind vom Tag hat sich gelegt und ist einer unwirklichen Stille gewichen. Ich lasse die Tränen einfach laufen, hier ist niemand, dem ich etwas beweisen muss. Es tut gut, allein zu sein. Über mir erstreckt sich die Milchstraße wie ein dicker, nachlässig aufgetragener Pinselstrich. Deshalb heißt sie Milchstraße, es ist wirklich eine Straße. Nur sieht man das in der Stadt nicht, weil zu viele künstliche Lichter mit den Sternen konkurrieren. An einigen Stellen hat die helle Milchstraße schwarze Löcher. Wolken, denke ich nach einer Weile, das müssen Wolken sein.
     
    „Hey, was machst du denn hier?“
    Die Stimme erkenne ich sofort. Ich blicke mich um. Ich habe niemanden gehört, aber natürlich, der Sand schluckt jeden Schritt. Adams Silhouette ist nur ein paar Schritte entfernt.
    „Was soll ich denn schon machen“, antworte ich ein bisschen patziger, als ich vorhatte.
    „Ist ja schon gut“, sagt Adam und bleibt stehen.
    Ich könnte mich ohrfeigen. Ein Wunder, dass er nicht sofort weggegangen ist. Wir sehen uns an. Beziehungsweise ich blicke in die Richtung, wo er steht und wo sein Gesicht ist. Erkennen kann ich nichts.
    „Und was machst du hier“, bringe ich nach einer Ewigkeit hervor und versuche, meine Stimme normal klingen zu lassen. Aber Adam lässt sich nicht täuschen und kommt ein paar Schritte näher.
    „Hey, ist ja schon gut. Nicht weinen.“
    Im Mondschein kann ich ein wenig von seinem Gesicht erkennen. Die Konturen seines Mundes und seine Augen.
    „Ich mache wahrscheinlich das Gleiche wie du.“
    Wir blicken uns an.
    „Du hattest recht, Adam. Mit allem.“
    „Du hättest mich anrufen können.“
    „Rachel hat nicht den Eindruck vermittelt, als wolltet ihr jemals wieder etwas mit mir zu tun haben.“
    „Judith“, er kommt noch einen Schritt näher und stellt sich so nah vor mich, dass ich seine
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