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Ich und andere uncoole Dinge in New York

Ich und andere uncoole Dinge in New York

Titel: Ich und andere uncoole Dinge in New York
Autoren: Julia K. Stein
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hinter mir aufgeht und ich einen Blick auf die zusammengepferchten Passagiere hinter mir erhasche, wo ich eigentlich hätte sitzen sollen, bin ich ihr geradezu wahnsinnig dankbar.
     
    Als wir in New York landen, surren in meinem Kopf ein Haufen Liebesfilme und die letzte Staffel von Gossip Girl. Chuck sieht unglaublich gut aus. Angeblich wohnen die Schauspieler wirklich in New York. Falls ich sie treffe, werde ich natürlich so tun, als wäre ich weder ein hysterischer Fan, noch vom Star-Gerummel beeindruckt. „Ach, du bist Schauspieler? Gossip Girl? Hat meine Freundin schon mal erwähnt.“ Dann werden wir beste Freunde, weil Ed Westwick sich nach einer Freundin sehnt, die ihn wirklich versteht und nicht bloß von seinem Ruhm beeindruckt ist und ratzfatz bin ich in den Klatschzeitschriften und dann ein It-Girl. Das ist natürlich leider Quatsch. Im Moment bin ich das Gegenteil von einem It-Girl. Und wenn man sogar in Dinslaken eher zu den grauen Mäusen gehört, heißt das nichts Gutes für New York. Ich habe Bauchschmerzen von dem vielen schwarzen Kaffee, den ich getrunken habe. Ich mag überhaupt keinen Kaffee ohne viel Latte, aber er war umsonst. Die Schokoladenpralinen habe ich für später eingesteckt.
    Meine Mutter ist schon seit zwei Wochen in New York. Ich musste noch die letzten Klassenarbeiten abwarten und war so lange bei Papa. Bei der Passkontrolle will ein Afro-Amerikaner, der der Menge von Abzeichen auf seinem blauen Hemd nach zu urteilen einen Haufen Kriege gewonnen haben muss, meinen neuen Reisepass sehen. Ich drücke meinen Zeigefinger gehorsam auf den klebrigen Bildschirm und grinse in die ufoartige Kamera, damit kein Verbrecherfoto von mir im Computer landet. Lange Schlangen von Touristen aus der Billig-Klasse formieren sich hinter mir und ich schenke ihnen ein mitleidiges Lächeln. Allerdings hilft mir keiner der Business-Class-Schnösel, meinen riesigen Koffer vom Gepäckband zu hieven. Alle schalten ihr Handy ein und rennen wahnsinnig busy davon. Mir ist unglaublich heiß, aber als ich die dicke Jacke ausziehen will, die nicht mehr in den Koffer gepasst hat, ist leider nicht zu ignorieren, dass mein Jogginganzug aus Polyester besteht. Ich rieche suboptimal, nett formuliert, und lasse die Jacke lieber an. Mama? Unendlich viele Leute stehen da, um die Menschen, die mit mir aus dem Flugzeug gequollen sind, abzuholen. Ein „Mr. Polesny“, wird gesucht, „The Pierre“ sucht seine Gäste und auf ein Schild hat jemand „Pesci Family“ in grellem Neongrün gekrakelt. Niemand sucht „Judith“ und von meiner Mutter ist nichts zu sehen. Ich setze mich auf meinen Koffer, so wie das in Filmen immer ist, wenn jemand vergessen wartet. Sie soll ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie mich sieht.
    Ich habe ziemlich Durst. Aber wenn ich jetzt weggehe, findet sie mich erst recht nicht. Sie scheint mich allerdings gar nicht zu suchen, keine Ahnung, wie lange ich hier schon sitze. Ich kann nur noch daran denken, wie durstig ich bin. Wenn ich schlucke, klebt mein Hals für einen Moment fest zusammen. Es landen noch zwei weitere Flugzeuge und meine Mutter ist immer noch nicht da. Aus Gewohnheit schalte ich mein Handy an, das hier wahrscheinlich sowieso nicht klappt. Es surrt und meldet eine neue Textnachricht: „nimm taxi, bank str. nr. 3 (ecke greenwich avenue). frag nach rachel rosenbaum. mama“.
    Das gibt’s doch nicht! Und wenn ich jetzt mein Handy gar nicht angemacht hätte? Es hätte doch auch nicht funktionieren können! Ich bin erst sechzehn, meine Freundinnen bekommen noch Schulbrote geschmiert. Nicht, dass ich ihr übel nehme, mir die mit Schinken aus Massentierhaltung belegten Graubrote zu ersparen, aber es ist zumindest eine nette Geste. Meine Arme hängen inzwischen schlapp herunter und sind doppelt so schwer wie sonst. Ich habe immer noch nichts getrunken und mein Hals klebt jetzt so fest zusammen, dass kaum noch Luft durchkommt. Die Koffer scheinen voller Steine zu sein. Endlich draußen, durch die schmutzigen Glastüren hindurch, falle ich fast in Ohnmacht vor Hitze. Die Temperatur im Flughafen war das gefilterte Resultat von Klimaanlagen, draußen ist es noch mal doppelt so heiß, dabei ist doch noch Juni. Schweißperlen rinnen mir den Nacken herunter, so als wäre ich im Dschungel gelandet und nicht in einer Großstadt. Der Großstadt. Ich reiße die Steppjacke herunter, mir doch egal, wie ich rieche. Minuten später plumpse ich in den ausgeleierten Sitz eines gelben Taxis. Wenn das
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