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Ich und andere uncoole Dinge in New York

Ich und andere uncoole Dinge in New York

Titel: Ich und andere uncoole Dinge in New York
Autoren: Julia K. Stein
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Taxi jetzt falsch fährt und ich in irgendeinem Slum aussteige und erschossen werde, ist das die Schuld meiner Mutter. Ich stelle mir ihr verheultes Gesicht vor und mache mein Handy aus, damit sie mich nicht anrufen kann. Das hat sie jetzt davon.
    „Bank Street. Corner Greenwich Avenue .“ Mein Englisch ist dank der vielen Computerspiele und vier Staffeln von O.C. California im Originalton ganz gut. Die Plastikscheibe zwischen mir und dem Fahrer ist verkratzt und voller Schlieren. Ich drücke mich fester in den Rücksitz. New Yorker Schmutz ist bedrohlicher als deutscher Schmutz – eine andere Dimension von Dreck.
    „Where are you from?“, fragt der Taxifahrer.
    „Dinslaken“, antworte ich, „ähh, Germany“.
    Er nickt begeistert, als wäre er selbst schon einmal in Dinslaken gewesen, was, gelinde gesagt, unwahrscheinlich ist. Er kommt von der Elfenbeinküste und erzählt mir eine verwickelte Geschichte über irgendwelche Verwandte in Bonn. „Die hübschen Mädchen dort sind alle ganz relaxed“, sagt er oder so ähnlich. Der Fernseher, der vor meinem Sitz eingebaut ist, dudelt unentwegt vor sich hin, so dass ich ihn kaum verstehen kann. Außerdem klingt sein Englisch eher wie Französisch und übertönt die laute Dance-Musik aus dem Radio nur selten. Ich lächele und nicke, wenn ich glaube, dass er mir eine Frage gestellt hat. Als wir vom Highway abbiegen, ziehen Hochhaussiedlungen aus künstlichen Backsteinen am Fenster vorbei. Davor spielen dicke Kinder mit dicken Müttern und an verbarrikadierten Kiosken versammeln sich die Männer. Ich ducke mich tiefer in meinen Sitz. Die meisten Menschen haben schwarze Haut oder zumindest schwarze Haare. Als die Straßennummern niedriger werden, wird es schicker. Die Menschen sehen ziemlich anders aus als in Dinslaken, das steht fest – Asiaten, Inder, Afrikaner, es gibt einfach alles. Genauer kann ich die Menschen nicht zuordnen. Ich kann eine Chinesin nicht von einer Koreanerin unterscheiden. Nie hätte ich eine Philippinin und eine Mexikanerin auseinanderhalten können, so was lernt man zu Hause einfach nicht. Endlich hält das Taxi vor einem rötlichen Haus. Ich drücke dem Taxifahrer einen Bündel neuer Dollarscheine von der Dinslakener Sparkasse in die Hand. Mit einem Ruck öffnet sich die Autotür und ich trete in die Welt, die bis jetzt als Kulisse hinter der schmierigen Fensterscheibe gelegen hat: NEW YORK! – Aaaaaaja. Mmmmh. Es riecht nach Pipi und die Luft ist noch schwüler als am Flughafen. Auch ohne Fensterscheibe bleibt es schmuddelig. Meine Haut hat sich während der Fahrt mit einer klebrigen Staubschicht überzogen. Man sollte hier wahrscheinlich nicht tief einatmen. Einige Meter entfernt schüttelt ein Mann mit langen, grauen Haaren Münzen in einem McDonald-Becher. Hoffentlich hat er keine Knarre. Mit ausgeleierten Armen von meinen schweren Koffern stolpere ich in den Eingang von Bank Street Nr. 3.
    „Wie kann ich Ihnen helfen, Miss?“ Hinter einem Pult in der Eingangshalle steht ein Mann mit asiatischen Zügen, olivfarbener, glänzender Haut und einer amerikanischen Stimme. Ich muss an meine Erdkundelehrerin und ihr Gerede vom Melting Pot denken. Ein Portier, das ist natürlich ganz schick.
    „Ich möchte zu Rachel Rosenbaum.“
    Er fragt mich nach meinem Namen, telefoniert und zeigt auf den Aufzug. „Sie werden erwartet.“ Immerhin. Einen Moment später entlässt der Aufzug mich in das grelle Neonlicht eines Korridors.
    „Hey, hier bin ich.“ Vor einer Tür steht ein Mädchen mit auffallend runden Augen, langen Wimpern und tiefschwarzen Locken, die lose zusammengebunden ihren Rücken hinabhängen. Sie trägt Shorts, Flip-Flops und ein T-Shirt mit einer verblichenen Mickey Mouse und blickt gelangweilt in meine Richtung.
    Ich drehe mich um. Aber hinter mir steht niemand. Also lächele ich ihr zu und schleppe meine Koffer in ihre Richtung.
    „Hey, Judith. Ich bin Rachel. Nice to meet you”, sagt sie, ohne dass es sich sonderlich nice anhört.
    „Hi”, antworte ich.
    „Ich dachte, du kommst früher. Ich zeig’ dir dein Zimmer. Ist nicht so groß, aber das Apartment ist cool“, sagt Rachel und winkt mir, ihr zu folgen. Sie tut so, als wäre alles in Ordnung. Nichts ist in Ordnung. Wo verdammt noch mal ist meine Mutter?
    „Wer bist du?“
    Wahrscheinlich habe ich das etwas zu unfreundlich gesagt, weil Rachel eine ihrer langen Augenbrauen hochzieht und schnippisch antwortet „Was meinst du? Ich bin Rachel. Daves Nichte.“
    „Wo ist
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