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Ich und andere uncoole Dinge in New York

Ich und andere uncoole Dinge in New York

Titel: Ich und andere uncoole Dinge in New York
Autoren: Julia K. Stein
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meine Mutter?“
    „Gina and Dave kommen später vorbei.“ Sie steckt ihre Hände in die Hosentaschen und macht eine Blase mit dem rosa Kaugummi.
    Gina! Meine Mutter heißt Regine, nicht Gina und vor allem nicht Dschiena .
    „Willst du jetzt dein Zimmer sehen?“ Sie hat die Blase wieder in den Mund zurückgeholt und kaut weiter.
    Ich bin zu müde und mir ist zu heiß, um zu protestieren. Immerhin habe ich ein Zimmer. Außerdem habe ich immer noch nichts getrunken und kann kaum noch sprechen. Ich latsche hinter Rachel durch die Wohnung. Der Holzfußboden besteht aus einem verkratzten Dunkelbraun, im Wohnzimmer steht gegenüber dem Fernseher ein von Zeitungen übersätes Cordsofa undefinierbarer Farbe, darüber hängt ein Schild This is not the life I ordered . Eine liebevoll eingerichtete Wohnung sieht anders aus. „Mein“ Zimmer ist winzig und dunkel. Hinter der Fensterscheibe liegt ein Hof, der fast vollständig von einer Kastanie ausgefüllt wird.
    „Immerhin schattig hier“, bemerke ich vorsichtig.
    „Es wird trotzdem heiß“, erwidert Rachel sachlich. „Aber du wirst sowieso nicht viel hier sein. Wenn die Sonne scheint, sind wir im Büro.“
    Ich schüttele den Kopf. „Ich habe Ferien.“ Von meinem Zimmer führt eine schmale Tür in ein klitzekleines gelbes Bad, in dem man wahrscheinlich gleichzeitig auf der Toilette sitzen, das Waschbecken benutzen und duschen kann.
    „Dave meinte, du kommst mit zu Scirox. Er hat gesagt, dass du super programmieren kannst.“
    Das Klo verströmt einen betäubenden Geruch, eine Mischung aus süßem Zimt und Kaugummi, als ich das Bad betrete. In diesem Bad hat kein natürlicher Geruch eine Chance. „Programmieren? Nee, ich spiele manchmal Computerspiele. Was ist Scirox?“
    Rachel zuckt mit den Schultern, als würde sie mich nun endgültig aufgeben.
    „Sogar ein eigenes Bad. Das ist ja Luxus“, sage ich, um das Thema zu wechseln. Dann kann ich mich nicht mehr beherrschen. Ich drehe den Hahn auf und trinke Wasser. Ganz viel Wasser. Es tut so gut. Es läuft kühl über mein Gesicht und ich verteile es mit den Fingern in den Haaren. So fühlen sich Leute, die in der Wüste eine Oase finden.
    „Du hättest einfach sagen können, dass du Durst hast.“ Rachel sieht entgeistert zu, wie ich mir die Wassertropfen mit der Hand vom Mund wische. Mir egal. Was habe ich eigentlich mit dieser Rachel zu tun. „Stimmt es eigentlich, dass sich Europäer nicht jeden Tag duschen?“, fragt sie und fährt fort, ohne dass ich widersprechen kann. „Bei uns hat jeder sein eigenes Bad. Ihr geht ja auch nackt mit Männern in die Sauna.“ Sie mustert mich mit einer Mischung aus Ekel und neu erwachtem Interesse. Wahrscheinlich rieche ich noch schlechter als gedacht.
    „Wir duschen und natürlich gibt es gemischte Saunen“, erwidere ich, als müsste ich mein Land verteidigen, obwohl ich noch nie eine gemischte Sauna betreten habe und auch nicht vorhabe, das jemals zu tun.
    „Das ist mein Zimmer“, sagt Rachel wenig später und es hört sich wie eine Drohung an. Es ist die Kopie meines eigenen, abgesehen von den Jeans und Pullovern, die über den Boden verteilt sind und den mit dicken Klebestreifen befestigten M.C.- Escher-Zeichnungen, bei dem eine Hand eine andere malt, so dass mir schon beim Hinschauen schwindelig wird. Zerknitterte Zettel, Pappbecher und Bücher bilden einen Kreis um das wohl Wichtigste hier: den Computer. Auf dem riesigen, flachen Bildschirm, der fast den gesamten Tisch einnimmt, sind Yak Face, Luke Skywalker, Prinzessin Leia und Han Solo aus Plastik aufgereiht: Ein Krieg-der-Sterne-Fan. Au weia.
    „Und da hinten schläft meine Mutter?“ Ich deute auf die letzte Tür, hinter die wir noch nicht geschaut haben.
    „Deine Mutter? Quatsch, na vielen Dank. Da wohnt Benjamin. Mit dem sollte ich hier eigentlich allein wohnen. Aber Dave brauchte ein Zimmer für dich. Er ist schließlich mein Onkel.“
    „Ach so.“ Prima, das nennt man wohl drittes Rad am Wagen. „Du wohnst sonst allein mit deinem Freund hier?“ Rachel sieht nicht älter aus als ich.
    „ Einem Freund. Nur im Sommer, solange ich das Praktikum bei Scirox mache. Danach muss ich wieder nach New Jersey zu meinen Eltern.“ Sie verzieht das Gesicht, als hätte sie in ein saures Bonbon gebissen.
    „Ist das so weit weg?“ Rachel schüttelt resigniert den Kopf und gibt eine lange, irgendwie sinnlose Erklärung von sich, aus der ich ableiten kann, dass New Jersey für New Yorker das ist, was Bergheim für
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