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Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Titel: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
Autoren: Eveline Hall , Hiltud Bontrup , Kirsten Gleinig
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Visagisten schminkten uns, und Armin stylte ein paar Meter weiter eine junge Frau. »Wo du schon in der Stadt bist«, rief er über seinen dröhnenden Föhn, »wirst du dich auch bei einer Modelagentur vorstellen?« – »Ich habe ein Date bei Trump«, rief ich. Die schien mir ganz passend, denn sie vertritt auch ältere Models. Pat Cleveland und Carmen Dell’Orefice sind dort unter Vertrag. »Du musst zu Ford«, rief Armin. – »Aber ich habe nur noch morgen Zeit. Wie soll ich das anstellen?« Ford ist eine der größten Modelagenturen der USA, da konnte ich nicht einfach reinmarschieren. Armin bat seine Assistentin, schnell einen Termin für mich anzufragen. So was Verrücktes, dachte ich. Wie soll das gehen? Ich saß da, fertig aufgedonnert, gleich würde Demarchelier mich holen lassen. Es war keine Zeit für solche Sperenzchen.
    Bei Ford hieß es: »Jetzt oder nie!« Ein Typ namens Michael könne mich noch unterbringen in seinem Terminplan. Armin erkämpfte mir ein wenig freie Zeit. »In einer Dreiviertelstunde musst du zurück sein. Wie du das anstellst, ist mir egal. Viel Glück!« Ich raste zum Aufzug, schon die Fahrt nach unten kam mir vor wie eine Ewigkeit. Auf der Straße überlegte ich nicht lang. Mit meinem Big Hair und all dem Make-up sah ich aus wie ein Alien, doch zum Glück sind die New Yorker nicht leicht zu erschrecken. Ich hielt ein Taxi an: »Fifth Avenue, so schnell es geht!« Der Fahrer war ganz entzückend: »Ich geb mein Bestes!« Wieder musste ich den Aufzug nehmen, wieder rückte der Minutenzeiger unerbittlich vor. Die Tür ging auf und ich erstarrte vor der Rezeption. Alles wirkte so kühl, vom Marmor bis zu der jungen Frau hinterm Tresen. War ich in einer Botschaft gelandet? »Ich habe einen Termin mit Michael«, sagte ich freundlich. Und dann kam Michael durch die Tür, ganz frisch und herzerwärmend. Ich erklärte ihm meine Haarpracht und mein Make-up. Dass ich gerade mit Demarchelier arbeitete, war Qualitätsnachweis genug. Michael führte mich in zehn Minuten überall herum, und schnell fanden wir heraus, dass wir beide Tänzer waren – es war wie ein Familientreffen. Ford nahm mich sofort unter Vertrag. Zwanzig Minuten dauerte das, und zum Schwarzkopf-Shooting war ich pünktlich zurück – aller-retour .
    Ich mag die Amerikaner einfach. Sie sagen dir mit wenigen Worten, was sie meinen. Und wenn ein Amerikaner oder Engländer spricht, Robert de Niro zum Beispiel oder Colin Firth, klingt es in meinen Ohren wahnsinnig schön. Sie zelebrieren ihre Sprache, die einen unglaublichen Reichtum an Wörtern besitzt. Die Deutschen denken immer, Englisch sei einfach – it’s difficult! Zwar kommt man mit hundert Wörtern schon weit, doch wer einmal Ezra Pound gelesen hat, der spürt, welche Gewalt diese Sprache besitzt. Ich selbst bin immer wieder überrascht, welche Dimensionen sich auftun, wenn ich den Worten nachgehe. Deshalb habe ich mir vorgenommen, falls ich einmal nichts Besseres zu tun habe, für ein halbes Jahr nach England zu gehen. Es liegt ja fast nebenan und doch war ich nur einmal kurz in London. Ich fand es irre – so viel Kultur! Ich würde an einem Theater anfragen, ob ich dort assistieren darf. In einem kleinen Job für wenig Geld, nur um dabei zu sein und noch mal gründlich Englisch zu lernen. Das ist es, was das Schauspiel ausmacht: Wir erarbeiten uns eine Sprache noch einmal neu. Wir sagen unseren Text nicht einfach auf, wir mühen uns mit jedem Satz. Kann sein, dass wir mit drei, vier Sätzen den ganzen Vormittag verbringen, gemeinsam mit dem Regisseur die Sprache suchen für eine Rolle. Und wenn wir lange daran feilen – Wie setze ich die Worte? Wie wirken sie? –, dann finden wir viel tiefer hinein. Das kann dir nur das Theater beibringen.
    Vielleicht würde ich auch nach Frankreich gehen. Bei Patrice Chéreau zu assistieren, das wäre ein Traum! Er war schon als Kind ein Theaterwunder, hat Wagner-Opern inszeniert und Filme wie Intimacy und Die Bartholomäusnacht gedreht. Für mich ist er der größte Theatermensch, den es gibt.
    Dabei kann man von jedem Menschen lernen. Ich sitze stundenlang im Café und beobachte die Leute. Trinke noch einen Tee und noch einen und mache meine Studien. Ich möchte Menschen erleben, bevor ich sie darstelle. Wenn mich jemand interessiert, wenn er mich für eine Rolle inspiriert, dann spreche ich ihn an. Es fällt mir leicht: »Darf ich mich zu Ihnen setzen? Ich würde Sie gern etwas fragen.« Dann fange ich ganz behutsam ein
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