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Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Titel: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
Autoren: Eveline Hall , Hiltud Bontrup , Kirsten Gleinig
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worden. Mein Vater war als junger Schauspieler nach Trier gegangen und hatte später Verträge in Berlin bekommen. Zuerst im Theater am Nollendorfplatz, später im Admiralspalast, wo meine Mutter in Operetten mitwirkte. Da mein Vater im Zweiten Weltkrieg nicht eingezogen wurde, konnten sie sich nach ihrer Hochzeit 1942 zusammen eine Wohnung nehmen. Ein Jahr später wurde Schiepchen geboren, mein Bruder Michael. Und als meine Mutter 1945 mit mir schwanger war und sie ausgebombt wurden, zogen meine Eltern zu Freunden nach Greifswald. Dort kam ich am 25. Oktober 1945 zur Welt. Dank seiner Kontakte zu den russischen Besatzern hatte mein Vater dort einen guten Posten als Intendanzvertreter am Theater. Er leitete das Ensemble, spielte selbst und führte Regie. Auch später in Berlin hielt er mit seinem Charme und seinem Riecher für gute Geschäfte auf dem Schwarzmarkt unsere Familie in dieser Zeit nach dem Krieg über Wasser.
    Dennoch zog es meine Eltern 1947 nach Berlin zurück. Ich war zwei Jahre alt, und weil es kaum Wohnungen gab, kamen wir bei meiner Oma Grete in Pankow unter. Wir schliefen zu fünft in ihrer Zweieinhalbzimmerwohnung. Aber die Enge machte keinem etwas aus, im Gegenteil: Wir krochen in der großen Wohnküche zusammen und wärmten uns aneinander, besonders im ersten Winter, der entsetzlich hart war. Die kaputten Fenster waren nur mit Pappe abgedichtet, es zog und wurde eisig kalt in der Nacht. Meine Eltern schleppten die Kohlen aus dem Keller und heizten den Ofen an. Alle drängten sich um dieses einzige warme Plätzchen. Hier wurde gespielt, gegessen und erzählt. Hier stand die große Schüssel, wenn mein Bruder und ich gewaschen wurden. Oma nähte aus Stoffresten und allem, was zur Hand war, Kleider für uns. Mami legte die Brennschere auf den Herd, machte mir Locken und eine Schleife ins Haar. Ich fühlte mich geborgen in meiner kleinen Welt. Als es wärmer wurde, ging ich zum Spielen nach draußen. Es gab viele Hinterhöfe, und ich liebte es, diese verborgenen Winkel zu erkunden. Kleine Gärten, wo man Äpfel stibitzen konnte, Gerümpel und Drecklöcher. Am liebsten spielte ich im Dreck. Wie eine kleine Ratte, eine Ratte mit Schleife im Haar.
    1949, als ich vier Jahre alt wurde, zogen wir nach Schöneberg in die Hohenstaufenstraße. Meine Eltern hielten jeden Tag einen Nachmittagsschlaf. Das war ihr Ritual, seit ich denken kann, und wir Kinder mussten uns diesem Rhythmus anpassen. Ich tat es, ohne zu quengeln, und ging allein runter auf die Straße. Dort lag viel in Trümmern. Die Häuser waren noch nicht wieder aufgebaut, zwischen den paar stehen gebliebenen klafften riesige Lücken, vieles war provisorisch. Für mich war es ein großer Abenteuerspielplatz. Überall gab es etwas zu entdecken, ständig veränderte sich unser Kiez. Ich lief herum und schnüffelte, steckte meine Nase in alles hinein. Oft fand ich etwas, das mich faszinierte und das ich dann wie einen Schatz nach Hause trug. Ein Stück Metall, ein altes Rohr, einen Ring. Meistens etwas aus Metall, etwas Glitzerndes, das mir besonders und wichtig vorkam. Etwas Elementares. Wenn ich es stolz meinen Eltern zeigte, sagten sie: »Nee, Püppilein, det kann gleich innen Ascheimer.« Aber ich dachte jedes Mal wieder: Jetzt kommt etwas ganz Tolles, jetzt werden sie Augen machen! Es waren immer alte Sachen, oft kaputt, aber mir bedeuteten sie viel, weil ich sie gerade erst entdeckt hatte. Schon damals steckte diese Unverdrossenheit in mir, die so typisch für mich ist: Heute beeindrucke ich euch vielleicht nicht, aber morgen sollt ihr mal sehen, womit ich euch überrasche!
    Unserem Haus gegenüber lag eine Kohlenhandlung im Keller. Dort stieg ich die Treppen hinunter und mischte mich unter die Leute. Ich saß auf den Kohlenkisten und fand es großartig, wenn ich ganz schwarz wurde. Ein richtiges Schmuddelkind. So war ich bald bei allen im Quartier gut bekannt, und noch dreißig Jahre später, als ich zurückkam, um zu sehen, was aus meiner Straße geworden war, erkannte mich der Kohlenmann wieder – mittlerweile der Enkel des alten Händlers: »Du bist doch die kleine Püppi!«
    Am liebsten stahl ich mich in Häuser, die ich nicht kannte. Unbekanntes Terrain erobern! Da die Türen nicht abgeschlossen waren, drückte ich einfach die Klinke herunter und schob mich hinein. Dann stieg ich die Treppen bis ganz nach oben, schaute, ob irgendwo eine Tür offen stand und ich einen Blick in eine Wohnung erhaschen konnte. Ich wollte wissen, wie die
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