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Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Titel: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
Autoren: Eveline Hall , Hiltud Bontrup , Kirsten Gleinig
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Gespräch an: »Was lesen Sie denn gerade?« Vor ein paar Monaten teilte ich im Hamburger Café Gnosa einen Tisch mit einer Frau, die deutlich älter war als ich. Sie erzählte mir bald, dass sie in einem Seniorenheim lebe und wie schwer es ihr fiel, sich dort einzugewöhnen. Es dauerte sehr lange, bis sie einen Weg fand, glücklich zu sein. Mich hat ihre Geschichte sehr berührt. Nicht nur, um mich in solche Lebenslagen einzufühlen und sie vielleicht zu spielen. Wer weiß, was im wirklichen Leben auf mich zukommt?
    Wer weiß, wie lange ich noch modeln werde? Eines ist sicher: Irgendwann kommt der Zeitpunkt, zu dem auch eine Reifere ausgedient hat. Und den muss ich erkennen. Schon heute nehme ich nicht jedes Angebot an. Den blinden Ehrgeiz meiner Jugend habe ich abgelegt. Ich arbeite nur noch, wenn es mir Freude macht und wenn ein Engagement wirklich zu mir passt. Zwischen jungen Mädchen auf einem Catwalk hin- und hermarschieren – das ist nichts für mich. Die Erfahrung war gut und sie hat mich weit gebracht, aber ich denke, dass ein Gesicht wie meins schnell verbraucht ist. Das Besondere wird zur Routine und verliert den Reiz. Ich bin nicht mehr so wandelbar wie junge Menschen. Wenn ich mir anschaue, wie unterschiedlich Models wie Kati Nescher oder Katrin Thormann in verschiedenen Looks aussehen – mich erkennt man sofort, denn ich laufe immer als ich selbst. Doch warum sollte ich das nicht zur Tugend machen? Warum sollte ich nicht beim Modeln all meine Qualitäten zeigen?
    Zum Glück gibt es Gelegenheiten, bei denen genau das gefragt ist. Ende 2012 buchte mich die Gala für ein Shooting in Berlin und wieder einmal wollten sie eine bunte Familie in Szene setzen. Es war kalt und grau an diesem Dezembermorgen, als ich im Taxi nach Grunewald fuhr. In einer ruhigen Seitenstraße lag die Adresse mit der Villa. Alles schien verschlafen, bis auf die jungen Leute, die einen riesigen Berg an Dingen ins Haus schleppten: Garderobenständer voller Kleider, Kameras, Lampen und Kabel, Körbe voller Essen, Koffer mit Stylingprodukten. Drinnen liefen Menschen hin und her, die Treppen rauf und runter. Die Villa hatte vor hundert Jahren dem Verleger Hermann Ullstein gehört. Ende der Sechzigerjahre waren neue Besitzer eingezogen und hatten sie mit einer üppigen Mischung aus Designklassikern, Pomp und Plüsch eingerichtet: an den Wänden Bilder der klassischen Moderne in Petersburger Hängung, auf jedem Tischchen und in jeder Ecke eine Sammlung, von Tabakdosen über Briefbeschwerer bis hin zu Spazierstöcken. Was für eine Kulisse!
    Ich solle in den zweiten Stock heraufkommen, rief mir jemand zu. Wie ich diese Stimmung liebe! Jeder weiß genau, was er zu tun hat, alle erledigen konzentriert ihre Arbeit. Und doch sind sie entspannt und hier ging es besonders locker zu. Mario Galla war ebenfalls gebucht, ihn kannte ich schon von den Abenden bei Michalsky und Lanz. Eva Padberg war dabei und zwei nette Herrn mit Bart, die auf den ersten Blick wie Brüder wirkten: Jörg Ehrlich und Otto Drögsler, die beiden Köpfe hinter dem Label Odeeh.
    »Ihr kennt den Film Die Royal Tenenbaums ?«, fragte die Fotografin Cathleen Wolf. Der Film war das Vorbild für diese Produktion. Bunt und verrückt sollte alles wirken, die Frühjahrsmode, das plüschig-pompöse Haus als Kulisse, die Familienmitglieder mit ihren Schrullen, ganz wie im Film. Evas Vorbild war Margot Tenenbaum, die depressive Tochter mit dem dicken schwarzen Lidstrich, die den Großteil ihrer Zeit mit einem Notizbuch in der Badewanne sitzt. Meine Rolle war die der Mutter Etheline – da verlangte ja schon der Name nach mir. Im Film spielt Anjelica Huston die Figur, und ihre Mission ist der Steuerberater, den sie unbedingt heiraten will. Für mich hatten sie etwas anderes geplant: »Du bist die fitnesssüchtige, ewig junge Mutter«, sagte Cathleen. – »Oh, das spiel ich euch perfekt!«, rief ich. »Das bin ich sowieso!«
    Es war ein Heidenspaß. Eva und ich gingen uns hingebungsvoll auf die Nerven. Ich trug eine wilde Mischung aus Pünktchenhose und bunt gemustertem Top, dazu Leohandschuhe und Klunkerschmuck. Eva rollte die Augen: »Sehr dezent, Mutter.« – »Du hast ja keine Ahnung, mach lieber mal was aus deinen Haaren«, giftete ich zurück. Ich gab die gnadenlos Trainierende, die verrückte Mondäne, die schnoddrige Alte. Ich durfte richtig spinnen, alles rauslassen, wie die böse Stiefmutter im Märchen. In Zukunft will ich öfter solche Rollen spielen.
    Das machte ich auch
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