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Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Titel: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
Autoren: Eveline Hall , Hiltud Bontrup , Kirsten Gleinig
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seiner Leidenschaften sind Bildergeschichten. 2011 wollte er eine japanische No-Oper mit Fotos nacherzählen. Dafür hatte er sich gründlich eingearbeitet, war sogar nach Japan gereist. No-Opern hatten ihre Blütezeit im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert; die Hauptfiguren sind entweder wahnsinnig oder tot. Schwere, traurige Stoffe also. Roth wählte Hanjo aus, ein No-Spiel von Yukio Mishima aus den Fünfzigerjahren, in dem drei Menschen vergeblich nach Liebe suchen. Es ist die Geschichte von Hanako, der Geisha, die Yoshido liebt. Sie müssen auseinandergehen, versprechen sich aber ewige Liebe. Während Hanako auf ihn wartet, verliert sie sich in einer Traumwelt und kann schließlich nicht mehr als Geisha arbeiten. Jitsuko, eine verbitterte Jungfer, kauft Hanako frei und hält sie in ihrem Haus fest. Als Yoshido Hanako dort findet, kämpft er mit Jitsuko um sie. Doch seine Geliebte erkennt ihn nicht mehr.
    Ich sollte die Jitsuko spielen, die Malerin, die nie geliebt hat. Ich fand mich leicht in diese Rolle, immerhin hatte ich schon in Mishimas Der tropische Baum die böse Alte dargestellt. Ohne das zu wissen, hatte Roth mich ausgewählt – ich scheine eine Affinität zu Mishima zu besitzen. Roth hatte die Kulissen perfekt ausstaffiert mit traditionellen japanischen Möbeln, Tapeten und Bildern. Viele hatte er sogar extra dafür herstellen lassen. Es ist seine Spezialität, Geschichten wie ein Modefotograf zu inszenieren, mit Posen, die wir aus Magazinen kennen, aber auch mit dramatischen Szenen aus dem Theater. Er arbeitet unheimlich akribisch: Kleider, Deko, Styling, alles wird en détail für jedes Bild vorbereitet. Das kostet Zeit.
    Während wir uns immer wieder umzogen, sprach ich mit der Kostümbildnerin, die die Kleider für diese Produktion ausgewählt hatte. Sie habe eine Tochter, erzählte sie, die wolle auch Schauspielerin werden. Gerade habe sie eine amerikanische Agentin gefunden, die mache einen guten Eindruck. Bei »amerikanisch« wurde ich hellwach. Es klang wie ein Versprechen in meinen Ohren, denn ich mag die Art der Amerikaner, Geschäftsdinge anzugehen, und eine Agentin suchte ich auch gerade. Kaum hatte ich ihren Namen, rief ich bei Karen Cifarelli an. Sie klang sehr zupackend, ganz anders als andere, die mich in den Jahren zuvor oft enttäuscht hatten. Von einer Agentin erwarte ich, dass sie sich schnell ein Bild von mir macht und dann eine Entscheidung fällt: »Du passt in mein Portfolio« oder »Ich kann nichts mit dir anfangen«. Sie muss sofort Ideen für konkrete Rollen haben, dann findet sie auch die richtige für mich.
    Karen und ich waren uns sofort sympathisch. Sie hat Schauspiel studiert, am New American Theatre in Los Angeles, und lange als Schauspielerin gearbeitet, aber auch als Casterin und Produzentin. In meinem Fach sei mein Alter ein Vorteil, meint sie, und Rollen gebe es reichlich für mich. Ich möchte Märchen spielen und Fantasyfilme mit extremen Kostümen und viel Körpereinsatz. Am liebsten Freaks! Karen sieht mich zum Beispiel als die seltsame Tante, die in einem weit entlegenen Dorf ein Familiengeheimnis hütet. Wir wählten ein paar Fotos aus und drehten einen Film, in dem ich mich vorstelle, und einen zweiten, in dem ich einen Monolog spreche. Jetzt knüpft sie für mich Kontakte in der ganzen Welt, in Frankreich, Skandinavien und selbst in Südamerika. Ich suche englischsprachige Produktionen, und sie als Amerikanerin spricht die richtige Sprache, um mit Produzenten zu verhandeln. Ich will im Ausland drehen. Nicht ohne Grund habe ich all die Jahre meine Sprachen trainiert.
    Im August 2012 buchte Armin Morbach mich für ein Schwarzkopf-Shooting in Manhattan – das war meine Chance, eine amerikanische Modelagentur zu finden. Ich hatte einen Tag Zeit, um mich vorzustellen, doch zuerst musste ich die Arbeit hinter mich bringen. Immerhin war Patrick Demarchelier als Fotograf gebucht, auch einer der ganz Großen, ein Franzose in meinem Alter. Er hatte in den Siebzigern noch mit dem legendären Henri Cartier-Bresson gearbeitet und sich seitdem auf Modefotos und Kosmetikkampagnen spezialisiert. So saß ich mitten in Manhattan, in einem Fotostudio im gefühlt achtundneunzigsten Stockwerk. Seit vier Stunden zauberten die Stylisten mir einen riesigen Haarschopf. Sie flochten mein Haar eng am Kopf und setzten dann Extensions auf. Die wurden so lange geformt und geföhnt, bis ich das Gefühl hatte, kaum noch durch die Tür zu passen. Um mich herum saßen andere Models,
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