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Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Titel: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
Autoren: Eveline Hall , Hiltud Bontrup , Kirsten Gleinig
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dieser absolute Wille, der mir im Blut lag und mein Leben bis heute regiert.
    Und dieser Wille trieb mich nicht nur in den Ballettstunden an, sondern auch bei den Opern. Seit 1946 war Günther Rennert Intendant der Hamburgischen Staatsoper. Er hatte nach dem Krieg, als das Haus noch in Schutt und Asche lag, mit enormem Enthusiasmus einen Neubeginn gewagt. Wie Ida Ehre im Schauspiel, so brachte Günther Rennert in der Oper völlig Unbekanntes auf die Bühne, und das mit einem Improvisationstalent, das Sänger, Tänzer, Bühnenbildner, Regisseure und alle anderen Mitwirkenden ansteckte – bis hin zu uns Ballettschülern. Es war eine Zeit voller Aufbruchsgeist. Auch die Zahl der Opern war enorm und oft wurden Kinder für die Inszenierungen gebraucht. Dann lief Frau Manzau durchs Haus, die Herrin der Statisterie, und fragte: »Wer möchte mitsingen?« – Sie hatte den Satz noch nicht ausgesprochen, da riss ich schon meinen Arm hoch: »Ich! Ich möchte gern!« Überall wollte ich dabei sein. Die anderen waren nicht so erpicht darauf, aber sie zeigten mir deutlich, dass sie mich für mein Vorpreschen verachteten. Sie fanden, ich drängele mich überall vor. Aber ich wollte doch gar nicht konkurrieren, ich folgte nur dem, was mich antrieb. Das hatte nichts mit unserer Kameradschaft zu tun. Darum waren wir doch beim Ballett: um vorn zu stehen, zu tanzen und zu singen, auf der Bühne, vor Publikum. Für mich waren das zwei verschiedene Paar Schuhe: auf der einen Seite mein Engagement für Ballett und Oper, auf der anderen die Beziehungen untereinander. Wenn ich in einer Oper mitspielte, dann war das Schönste für mich das Schminken. Überall im Theater roch es nach Schminke. Ich liebte es, reinzukommen und diesen unbeschreiblichen Geruch einzuatmen. Er nahm mich gefangen. Sofort bekam ich Lust darauf, mich zu schminken. Heute riecht es nach gar nichts mehr. Für die Opern durfte ich mich selbst schminken. Dann ging ich hinauf in die Maske, klopfte an und betrat den Raum, in dem sich all die wunderschönen Dinge bis unter die Decke stapelten: Frisiertische mit Spiegeln und unzählige Schubladen und Fächer, voll mit Farben und Pasten. Überall standen kleine Kästchen und Dosen mit Schminke und Haarklammern. Pinsel, Kämme und Bürsten lagen herum, und das Werkzeug zum Knüpfen der Perücken, die auf Holzköpfen für die Vorführung am Abend präpariert wurden. Wie eine Wunderkammer war dieser Raum für mich. Ich sagte der Maskenbildnerin, in welcher Oper ich mitmachte, dann musste ich ein Papier unterschreiben für die Utensilien, die sie zusammensuchte: »Du bist also ein Fisch in Rheingold . Dann brauchst du dieses Grün, das tiefe Blau und ein wenig Gold dazu. Dazu noch etwas Rot für die Lippen und ein bisschen Abschminke.« Ich hatte ein altes Tabakkästchen, in das ich die einzelnen Töpfe legte. Leichner-Theaterschminke stand darauf geschrieben. Ich fand mein Glück darin, die Farben immer wieder neu anzuordnen, sie herauszunehmen und hineinzusetzen. Manchmal verrührte ich auch zwei, um mir etwas ganz Eigenes zu machen. Am Abend kamen noch die Kostüme dazu mit den wunderschönen Stoffen und Knöpfchen und Häkchen, die auch ihren eigenen Geruch verströmten. Und wenn ich endlich mit den großen Opernsängern auf der Bühne stand, ging mein Herz ganz auf. Ich war ein Kind der Oper!
    Am nächsten Morgen bezahlte ich dafür. Völlig übermüdet saß ich in der Schule und konnte mich noch weniger als ohnehin auf den Unterricht konzentrieren. Schon am Tag der Aufführung selbst war es nicht weit her mit meiner Aufmerksamkeit. In Gedanken stand ich bereits am Vormittag auf der Bühne. Das ging natürlich nicht lange gut. Ich konnte nicht erfüllen, was die Lehrer von mir verlangten. Von meinem Wesen her nicht und auch, weil ich so sehr für das Ballett und die Oper lebte. Besonders mein Vater litt furchtbar darunter, denn für ihn stand Bildung an oberster Stelle. Er konnte ja zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass tatsächlich einmal eine Ballerina aus mir würde. Noch war ja alles ein kindliches Hobby. Und ohne vernünftige Schulbildung hätte es schlecht ausgesehen für mich. Wir versuchten es mit einem Privatlehrer, der mir Nachhilfestunden gab. Gleichzeitig brachte mein Vater mich zum Lesen: »Wenn de det alles nich wills, Püppi, mit dem Lernen, denn musste lesen! Det is det Einzije, det hilft.« Damit lag er goldrichtig bei mir, ich war gierig aufs Lesen und verschlang, was mir in die Finger kam. Mein Vater
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