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Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)

Titel: Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
Autoren: Eveline Hall , Hiltud Bontrup , Kirsten Gleinig
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gemeinsam, nicht einfach nebenbei, sondern mit Ruhe und viel Liebe. Es gab Tee, und eine Kerze brannte. Dazu hörten wir klassische Musik aus dem Radio. Mein Vater liebte Wagner und Liszt. Er suchte nach einem passenden Karton und wir wickelten die Geschenke ein für Oma in Pankow und für Tante Tuto und Onkel Bruno: Kaffee und Kölnisch Wasser, 4711. Ich erinnere mich noch genau an das Etikett in Gold und Türkis, das ich wunderschön fand. Dann wurden die Päckchen gut verschnürt und zur Post getragen. Auf dem Rückweg gingen wir zur Konditorei Lindtner. Das war die große Ausnahme, denn die feinen Pralinen, Bonbons und Kekse konnten wir uns gar nicht leisten. Das ganze Jahr über schlichen wir draußen an den Auslagen entlang, drückten uns die Nasen platt am Fenster, während uns das Wasser im Mund zusammenlief. Nur zu Weihnachten durften wir durch die schöne Drehtür aus Holz gehen und uns an dem großen Tresen etwas aussuchen. Das gehörte dazu, auch wenn es das Budget nicht hergab. Ebenso wie ein Besuch auf dem Hamburger Dom mit seinem romantischen Weihnachtsmarkt zu Beginn der Adventszeit.
    Auch mein erster Auftritt in der Ballettschule fiel in die Weihnachtszeit. Um unseren Eltern etwas vorzutanzen, hatten wir Die Schneekönigin einstudiert. Ich war eine der Schneeflocken und wahnsinnig stolz auf der Bühne. Nun begriffen meine Eltern allmählich, dass es mir ernst war mit dem Tanzen. Keiner von beiden versuchte mehr, mich davon abzubringen. Meine Mutter holte mich oft vom Unterricht ab und sah, wie viel Spaß es mir machte, und dann schlenderten wir beide beschwingt nach Hause. Irgendwie müssen sie gespürt haben, dass Talent in mir steckte. Jedenfalls ergriff mein Vater die Initiative für den nächsten Schritt. Eines Abends saß er nach einer Theateraufführung mit Kollegen zusammen. Darunter war an diesem Tag auch Otti Tenzel, damals Primaballerina an der Hamburgischen Staatsoper. Natürlich nutzte er die Gelegenheit und fragte ganz direkt: »Verzeihen Sie, ich habe eine, wie ich glaube, doch sehr begabte Tochter. Aber es ist nur eine kleine Ballettschule, an der sie tanzt. Und sie würde so gerne weiterkommen. Was würden Sie empfehlen?« Otti Tenzel verwies ihn direkt an die Ballettschule der Staatsoper: »Berufen Sie sich auf mich. Die Leiterin des Kinderballetts ist eine Russin, Isabella Vernici. Da klopfen Sie an, und dann wird man schauen, was Ihre Tochter kann und ob man sie aufnimmt.«

    Zum Glück war mein Vater so, wie er war! Er packte jede Gelegenheit beim Schopf. Ich war hin und weg von der Vorstellung, in der Staatsoper zum Ballettunterricht zu gehen, obwohl ich gar nicht ahnte, welche Tür sich da für mich öffnete. Es war unbeschreiblich aufregend. Was sollte ich anziehen? Ich hatte nur mein kleines weißes Röckchen, aber kein richtiges Balletttrikot. Am Ende nahm ich meinen Badeanzug, damit musste es irgendwie gehen. Aber als ich in den Ballettsaal trat, wurden meine Knie ganz weich. Da standen all die anderen Mädchen in ihren Trikots und hübschen Schläppchen. Mager, wie ich war, stellte ich mich zu ihnen an die Stange, in meinem Gummibadeanzug aus geriffeltem Kreppstoff und den Gymnastikschuhen mit überkreuzten Gummibändern. Ich fühlte mich so armselig. Aber ich warf mich hinein mit allem, was ich zu geben hatte. Isabella Vernici wollte, dass ich mehrmals am Unterricht teilnahm, damit sie mich eine Weile beobachten konnte. Auch meine Mutter schaute zu. Sie wollte mich noch immer davor bewahren, das Tanzen zum Beruf zu machen, und hoffte daher, es würde nichts werden mit meinem Einstieg ins Kinderballett. Nach dem dritten oder vierten Mal wollte sie das Ganze beenden. »Sie sehen ja wohl, das hat gar keinen Sinn. Das ist reine Geldverschwendung«, sagte sie zur Vernici. Sie aber war anderer Ansicht: »Wenn Sie das vor einem Monat gesagt hätten, hätte ich Ihnen vielleicht recht gegeben. Jetzt aber nicht mehr.«
    Von nun an ging ich zum Ballettunterricht in die Staatsoper. Ich war so stolz. Mit der Straßenbahn fuhr ich von Eppendorf aus zweimal in der Woche zur Oper am Gänsemarkt. Jedes Mal spürte ich ein Freiheitsgefühl. Aus der Enge unserer Wohnung lief ich in die große Welt der Oper. Die erste Tanzklasse trainierte montags und donnerstags. Schon morgens in der Schule dachte ich dann nur an den Nachmittag. Und wenn er endlich da war, konnte ich mein Glück kaum fassen.
    Schon beim Umziehen in der Garderobe hörte ich die Musik. Und dann begann die Stunde. Der große
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