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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
Autoren: Babak Rafati
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Note vier zu geben. Diese Schiedsrichterbewertungen in BILD und Kicker waren gefürchtet. Es drohte Imageverlust. Dreimal schon war ich im Kicker zum schlechtesten Schiedsrichter der Bundesliga gewählt worden.
    Daher hätte ich die Kitsch-SMS als Einladung zum Gespräch verstehen müssen, aber damals empfand ich es irgendwie fast schon als Erpressung. So war ich. Stolz. Unbeugsam. Undiplomatisch. Andere würden sagen: pressetechnisch »nicht bundesligatauglich«. Völlig wütend und unnachahmlich in meiner dickköpfigen Art war ich nach der SMS aus der Kabine auf Kitsch zugestürmt und hatte ihm zugerufen, dass ich so nicht mit mir umspringen lassen würde. Er könne mir gerne jede Woche die Summe dieser beiden Noten – nämlich die Sechs – geben, wenn er es für richtig hielte. Kitsch hatte diesen Fehlpass dankend aufgenommen und verwandelt. In der Folgezeit, so mein Eindruck, würdigten er und seine Kollegen meine Reaktion in Form schlechter Noten und entsprechend kritischer Berichte über meine Arbeit. Ich war selbst schuld. Aber das war eben mein Gerechtigkeitsgefühl, über das ich noch häufiger stolpern sollte. Ich war immer völlig unwillens, mich irgendwelchen Machtspielchen zu beugen. Mit der heutigen Erfahrung und dem nötigen Abstand ist mir bewusst, dass ich sachlicher und souveräner hätte reagieren sollen. Mein Widerstand hatte Gegendruck erzeugt.
    Nun ging ich also auf ihn zu und sagte: »Lass uns doch mal offen reden, ein paar Sachen aus der Welt schaffen!« Wir begannen ein Gespräch, in dem wir uns zunächst sehr offen die Meinung geigten und dann mehr und mehr auf eine menschliche Ebene kamen. Ich sagte zu ihm: »Ich weiß, dass ich auf dem Platz eine arrogante Ausstrahlung habe. Privat bin ich aber ein lockerer und umgänglicher Typ.« Das brach das Eis und ich erlebte einen anderen Kitsch. Und er mich, wie ich wirklich bin. Es ist immer so, wenn man vernünftig miteinander reden kann, entdeckt man den Menschen hinter den vielfach schroffen und verletzenden Reaktionen, die jeder erlebt, der in der Bundesliga an der Spitze steht, egal auf welcher Seite. Wir unterhielten uns volle zwei Stunden. Wir einigten uns, in Zukunft fair miteinander umzugehen. Es fühlte sich gut an, Frieden zu schließen. So nahm ich am Ende doch noch etwas Positives von diesem für mich insgesamt enttäuschenden Sommerlehrgang mit, der für mich mit einer so großen Beunruhigung endete. Die Verhältnisse sollten sich tatsächlich bald weiter zuspitzen.
    ■ ■ ■
    Ich setzte mich in der folgenden Verletzungszeit ständig unter Druck. Einmal die Woche erstattete ich bei Fandel Bericht über den Fortschritt meiner Heilung. Er fragte nicht weiter nach meiner Befindlichkeit, sondern wollte nur ungeduldig wissen, wann ich endlich wieder fit sei, er müsse planen. Fandel hatte in seiner aktiven Zeit selbst viel mit Verletzungen zu tun gehabt. Er hatte deshalb vor Erreichen der Altersgrenze seine Tätigkeit als Schiedsrichter aufgeben müssen und war in die DFB-Schiedsrichterbetreuung gewechselt. Fandel wusste also genau, wie negativ Verletzungen auf die Psyche eines Leistungssportlers wirken. Vermutlich übertrug er seine eigenen schmerzlichen Erfahrungen auf mich und sah nur eine geringe Chance, dass ich mich schnell erholen würde. Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich das Gefühl, wie es sein muss, wenn man als schwach eingeschätzt und vielleicht irgendwann einmal als nutzlos abgeschrieben wird. Zu dem ganzen Stress, den ich mit der Verletzung, der Behandlung, meinem Arbeitgeber, den verpassten Bundesligaspielen hatte, kam jetzt auch noch die ernste Sorge, dass mich Fandel von seiner Liste streichen würde. Ich setzte mich selbst unter Druck, um den Anschluss in der Bundesliga nicht zu verpassen. Ich wollte so schnell wie möglich wieder fit werden, um den Trainingsrückstand aufzuholen. Der Spezialist, zu dem ich jetzt mehrfach in der Woche 180 Kilometer nach Hamburg fuhr, hatte mir keine Hoffnung machen können, dass meine Verletzung binnen weniger Tage auskuriert sein würde. Viel zu früh nahm ich mein Lauftraining wieder auf und zog mir erneut an der gleichen Stelle eine Zerrung zu. Völlig niedergeschlagen musste ich das Training abbrechen und mich weiteren Behandlungen unterziehen. Mittlerweile rollte der Ball in der Bundesliga wieder, und das machte das Warten auf die Heilung noch schwieriger und schmerzhafter. Ohne es zu merken, geriet ich in einen Stress, der meine bislang unerschöpflichen
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