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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
Autoren: Babak Rafati
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mich ein freundschaftliches Verhältnis verband, schien mich nach Kräften links liegen zu lassen.
    Die ersten fünf Sprints schaffte ich ohne Beschwerden, doch beim sechsten und letzten Sprint hatte ich, gerade ins Ziel gelaufen, zu schnell abgestoppt und verspürte wieder den kalten Schmerz an der lädierten Stelle, der diesmal so stark war, dass es mich zu Boden warf. Ich wusste, dass etwas Ernstes passiert war, und hatte vor Schmerz und Wut Tränen in den Augen. Fandel ging an mir vorbei und sagte nur beiläufig: » Och, was machste, Jung?« Und weg war er.
    Diesmal musste ich sofort zum Arzt. Die Diagnose war niederschmetternd: mehrfacher Muskelfaserriss. Die Heilung würde Wochen dauern. Schlimmer war, dass ich für die ersten Spieltage in der Bundesliga schon angesetzt war und jetzt erfuhr, welche tollen Spiele mir entgehen würden. Es geht dabei nicht nur um Einkommensverluste – sondern vor allem um die Unsicherheit, wie lange man draußen ist. Ob man überhaupt wieder reinkommt, mitten in der Saison. Vor allem in der für mich entstandenen ungünstigen Machtkonstellation. Ich musste unter allen Umständen vermeiden, dass im Schiedsrichterkollegium angesichts meines Alters Diskussionen aufkamen, ob ich mit Anfang vierzig noch über ausreichend Fitness für diesen Leistungssport verfügen würde. Eine ganze Saison ohne Spiele kann bei dem irrsinnigen Konkurrenzdruck das völlige Aus bedeuten. In Deutschland gibt es knapp 80.000 Schiedsrichter im DFB – und nur 20 bis 25 kommen in den Spitzenkader. Ich war einer von ihnen – noch.
    Ich war tief verunsichert, was nun geschehen würde. Die Verletzung bedeutete auch privat einen großen Verlust. Ich hatte auf meinen Sommerurlaub und viele Annehmlichkeiten verzichtet, um für diesen Test zu trainieren und mich für die kommende Bundesligasaison zu qualifizieren. Körperliche Fitness ist unabdingbar. Ein Schiedsrichter trainiert in einer Woche ohne Spielbelastung drei- bis viermal. Erst seit kurzer Zeit wird der Beruf Schiedsrichter als Hochleistungssport eingestuft. Das Training ist umfassend. Ausdauer ist nur die Grundvoraussetzung, sie alleine reicht aber längst nicht mehr aus, weil die Belastung des gesamten Bewegungsapparates extrem hoch ist. Wird zum Beispiel die Rumpfmuskulatur nicht ausreichend trainiert, gibt es schnell auch Probleme mit der Wirbelsäule oder der Achillesferse. Grundschnelligkeit ist gefragt, die Fähigkeit, mit den Spielern auf gleicher Höhe über das Feld zu spurten, ist wichtig, weil ein Schiedsrichter immer auf der Höhe des Spielgeschehens bleiben muss und Spielern hinterherläuft, die halb so alt, professionell trainiert und in allen sportlichen Belangen besser betreut sind. Das Alter und die Regenerationsfähigkeit gewinnen daher zunehmend an Bedeutung. Die nationale Altersgrenze liegt bei 47 Jahren, die aber nur noch selten erreicht wird.
    Die wochenlangen Anstrengungen waren nunmehr umsonst gewesen. Nach der Heilung konnte ich von vorne anfangen und ich war entsprechend frustriert. Die zwei folgenden Tage stand ich bei den Sportübungen nutzlos am Trainingsplatz und sah zu, wie einer nach dem anderen seinen Test bestand. Auch den theoretischen Teilen konnte ich wegen der starken Schmerzen und meiner Enttäuschung nur halbherzig folgen.
    Der einzige Lichtblick war, dass ich auf diesem Lehrgang Frieden schließen konnte mit dem Journalisten der BILD Christian Kitsch, mit dem ich schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Kitsch war früher Amateurschiedsrichter gewesen und hatte dann die Seiten gewechselt, um seit 2006 als Experte bei der BILD über seine Bundesligakollegen zu berichten. Die Medien sind nach fehlender Fitness der zweite große Bedrohungsfaktor im kurzen Leben eines Schiedsrichters im Profifußball. Reporter haben viel Macht. Dank meines oft zu selbstbewussten Auftretens auf dem Platz, das mir Reporter wie Kitsch immer wieder gerne ankreideten, hatten wir uns beide zu »Lieblingsgegnern« auserkoren. Im Gegensatz zu Fandel und Krug hatte ich es nach der alten Schule von Volker Roth stets abgelehnt, mir in den Medien Allianzen zu schmieden. Im Gegenteil. Kitsch hatte mir mal unmittelbar nach einem Bundesligaspiel eine SMS mit der Aufforderung geschrieben, dass ich mich einem Interview »stellen« sollte. Darin teilte er mir mit, dass ich bei Erfüllung des Interviewwunsches die Note zwei in der BILD-Bewertung (analog Schulnoten) bekommen würde. Ohne meine Erläuterungen sehe er keine andere Möglichkeit, als mir die
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