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Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Titel: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen
Autoren: J Rautenberg
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ein bisschen ostdeutsch aussehen, die schreibe ich Pätrick mit ä zu. Am reichlich ausgestatteten Büfett verteilt gerade eine ältere Frau mit schicker Föhnwelle und im Hahnentrittkostüm kleine, kohlrabenschwarze Kugeln auf einer Silberplatte. Sie sieht auf, an mir vorbei und ihren Mann an.
    » Bertholt!«, ruft sie und kommt mit langen Schritten auf uns zu. » Wie siehst du denn aus?« Mit eindeutigem Missfallen im Blick nimmt sie ihren Mann unter die Lupe. » Hast du dich selber angezogen? Juli, haben Sie meinen Mann angezogen?«
    Wir sind also wieder beim Sie. Na ja.
    » Ja«, gebe ich zu. » Sein Hemd war bekleckert.«
    » Also nein, Bertholt, so kannst du nicht rumlaufen.« Mit einer Hand streicht sie ihm über das wirr in die Luft stehende, dünne Haupthaar. Ich erinnere gerne daran, nicht jeder von uns hatte heute Morgen noch einen Friseurtermin! Gleich wird sie ein Taschentuch aus der Tasche ziehen, reinspucken und Herrn Paulsen den verräterischen Schlammbowlerand in den Mundwinkeln wegrubbeln. Eklig, und trotzdem rührt mich, wie Konrads Mutter sich so um ihren Bertholt sorgt.
    Und in dem Moment dämmert es mir. Diesmal geht es ganz schnell, kein tagelanges Drehen am Dimmer, kein leises Tröpfeln, sondern– ZACK ! – geht das Licht an.
    » Was tun Sie hier?«, fahre ich Frau Paulsen an.
    » Was soll ich hier schon tun«, gibt sie zurück, » ich begleite meinen Sohn, weil Sie ja offensichtlich immer noch nichts begriffen haben.«
    Jetzt begreife ich. Und zwar noch schneller, als mir lieb ist. Das ist ein ganz, ganz perfides Vorgehen! Das ist doch alles so geplant! Hat sich die ganze Welt gegen mich verschworen? Mona, wo ist Mona, die blöde Kuh? Wie kann sie mich nur so ins kalte Wasser werfen? Ich bin noch nicht bereit für den Showdown, ich habe noch keinen Plan, ich weiß nichts, außer dass ich das, was ich bislang gewollt habe, nun doch nicht mehr will, und das kommt mir als große Rückrufaktion doch ein bisschen mager vor. Ich will weg hier. Ganz weit, ganz schnell. Wenn Konrad hier ist, dann bin ich verloren! Ich trage ein beknacktes Wickelkleid aus den Neunzigern, mein Gesicht hat sich immer noch nicht von der exklusiven Ernährung von Süßigkeiten erholt, und zu allem Überfluss habe ich noch nicht einmal eine Wassermelone auf dem Arm! Wie soll ich denn da den Tanzlehrer um den Finger wickeln?
    Jemand tippt mir auf die Schulter.
    Ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, wer da steht.
    » Hallo«, sage ich leise.
    » Hallo«, sagt Konrad zu meinem Rücken.
    » Ich hab nicht gewusst, dass du kommst«, huste ich.
    » Ich hab gewusst, dass du kommst, aber ich dachte, es wäre klüger, wenn du nicht wüsstest, dass ich komme.«
    Kurz bin ich versucht, mich umzudrehen. Dann aber denke ich an all das, was ich Konrad angetan habe, und lasse es bleiben.
    » Du wärst doch garantiert zu Hause geblieben.«
    Stimmt. Garantiert. Und auch jetzt gerade kann ich dem dringenden Impuls, meine dicken Beine in die Hand zu nehmen und wegzulaufen, nur schwer widerstehen.
    » Und was machen wir jetzt?«, frage ich.
    » Keine Ahnung«, sagt Konrad. » Lass uns einfach noch ein bisschen so stehen bleiben.«
    Ein schöner Rücken kann ja auch entzücken. Ich spüre, dass Konrad näher kommt. Er lehnt sich leicht an mich, in meinem Nacken spüre ich seinen Atem, und sein Bauch (eindeutig flacher als noch vor zwei Wochen) schmiegt sich vorsichtig an meinen Rücken. Die perfekte S-Kurve.
    » Ich hab dich vermisst«, flüstere ich, bevor ich darüber nachdenken kann, ob das gut ist.
    » Das ist schön«, sagt Konrad, und da weiß ich, dass es gut ist. » Und ich weiß auch, warum du nicht angerufen hast.«
    » Da weißt du mehr als ich«, sage ich und muss lächeln.
    » Du bist du. Und daran kannst du nichts ändern.«
    Und ich hab dich bei jedem Wort ein bisschen lieber.
    » Es tut mir leid, wenn ich dich so überfahren habe«, meint Konrad und rückt noch ein Stückchen auf.
    » Mir tut es leid, dass ich Nein gesagt habe«, flüstere ich.
    Konrad seufzt. » Kein Problem. Ist okay, ehrlich.«
    » Ist es?«
    Langsam wird mir die Rückennummer doch zu doof. Ich überlege gerade, ob ich mich nun doch endlich umdrehen soll, da schlingt Konrad seine Arme um mich. » Ja, ist es. Ich muss dich nicht heiraten, um zu wissen, dass du mit mir zusammen sein willst.«
    » Oh.« Zum Glück hatte ich keinen tollen Plan, an dessen Ende ich Konrad vielleicht sogar das Jawort angeboten hätte! Das wäre ja schön peinlich
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