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Ich mach mir Sorgen, Mama

Titel: Ich mach mir Sorgen, Mama
Autoren: Wladimir Kaminer
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ernste Absicht hatten, einen echten Freund für Marfa zu finden, damit sie ihren Spaß habe und Babys bekomme. Die Annonce wurde geändert. Nun hieß es: »Russische Siamkatze mit ernsten Absichten sucht guten Freund zum Kinderkriegen.«
    Nach zwei Tagen kam der erste Anruf:
    »Haben Sie ein Katerchen gefunden?«, fragte uns eine ältere Dame.
    »Nein, noch nicht«, sagten wir.
    »Sie werden auch keinen finden«, meinte die Dame, »weil es in dieser Stadt keine anständigen Siamkater gibt. Mein Perser ist aber auch sehr schön und außerdem sehr zuverlässig. Alle Mädels zittern vor Begeisterung.«
    Wir wollten aber doch lieber einen Siamkater.
    Einen Tag später rief eine andere Frau mit derselben Frage bei uns an: »Haben Sie schon ein Katerchen gefunden? Schade, ich hätte so gerne ein kleines Siambaby gehabt. Darf ich in drei Monaten noch mal anrufen?« Diese unverschämte Frage mussten wir uns noch fünf Mal anhören – alle Anruferinnen waren scharf auf Marfas Nachkommen. Erst nach zwei Wochen meldete sich ein Thomas aus Charlottenburg; bei ihm handelte es sich um einen echten Siamkater mit hervorragenden Referenzen. Thomas, so meinte sein Besitzer stolz, hätte schon mehrere Katzen glücklich gemacht, sei ein großer Spezialist und könne immer. Doch unsere sensible Katze rollte zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr. Wir notierten die Telefonnummer von Thomas – für alle Fälle – und wandten uns wieder unserem Alltag zu. Irgendwie ahnten wir jedoch, dass wir die Hilfe von Thomas noch in Anspruch nehmen würden. »Rufen Sie uns jederzeit an, wenn Bedarf besteht«, hatte der Katzenfreund aus Charlottenburg gesagt.
    Und tatsächlich: Schon nach einem Monat erschienen unsere Kinder froh gestimmt in der Küche, um uns mitzuteilen, das Marfa wieder »am Po« krank sei. Wir riefen den Mann aus Charlottenburg an. Er fuhr sofort mit dem Auto zu uns, auf seinen Schultern saß Thomas mit dem Hintern nach vorne. Seine Referenzen waren nicht zu übersehen.
    »Schauen Sie sich diese Eier an«, prahlte der Besitzer, als wären es seine. »Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass es ungefähr drei Tage dauern wird, bis das Werk vollendet ist, dann hole ich Thomas wieder ab. Ich wünsche Ihnen viel Spaß.«
    Der Mann aus Charlottenburg zwinkerte uns schelmisch zu, als wären wir diejenigen, die sich von Thomas vögeln lassen sollten. Dann verschwand er.
    Thomas fühlte sich bei uns sofort wie zu Hause. Er wusste genau, was zu tun war. Mit lautem Gejammer ging er auf Marfa los, die sich daraufhin unter dem Kleiderschrank versteckte. Thomas ließ jedoch nicht locker und nahm die Verfolgung auf. Stunde um Stunde rannten die beiden durch die Wohnung und schrien sich dabei an. Die Blumenvase mit altdeutschen Motiven zerbrach, eine Gardine und ein Bild gingen zu Boden, eine Pflanze kippte vom Fensterbrett. »Gut, dass unsere Katze endlich einen echten Freund hat«, meinten die Kinder. Die ganze Nacht ging es so weiter. Am nächsten Tag wechselten die Tiere ihre Rollen. Nun jagte Marfa ihren Freund Thomas durch die Wohnung. Er konnte sich nirgendwo vor ihr verstecken. Beide schienen viel Spaß zu haben und sprangen auch mehrmals aufeinander. Wir waren jedoch unsicher, ob dabei eine sexuelle Handlung stattgefunden hatte, und fragten unseren Nachbar Karsten, der aus unerfindlichen Gründen alles über Katzen wusste.
    »Das kann man an Marfas Nacken leicht feststellen«, meinte er. »Ein Kater beißt während des Aktes der Katze nämlich in den Nacken – etwa so …« Karsten zeigte uns, wie der Kater es machen würde. Es sah sehr überzeugend aus. Wir fingen Marfa und untersuchten ihren Nacken, fanden aber keine Bisswunden. Unsere Katze sah nur wie eine große zottelige Kugel aus, und an ihrem verwirrten Blick konnte man sehen, dass sie noch viel Zeit brauchen würde, um die Bekanntschaft mit Thomas seelisch zu verarbeiten.
    Am dritten Tag pisste Thomas unsere ganze Wohnung voll, unter anderem versaute er einen Stapel wichtiger Dokumente auf meinem Schreibtisch. Das geschah für uns völlig unerwartet. Wir riefen seinen Besitzer in Charlottenburg an, der auch sofort kam und Thomas in den Westen zurückbrachte. Als Gage für dessen Leistung wollte er unbedingt ein Baby haben, wenn es so weit wäre.
    Unsere Wohnung sah nach der sexuellen Katzenrevolution wie ein Schweinestall aus und stank auch so. Mühsam versuchten wir, alles wieder in Ordnung zu bringen. Abends kam Karsten zu Besuch.
    »Na, hat der Kater schon überall
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