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Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman

Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman

Titel: Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
Autoren: Ellen Berg
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gealtertes, gebräuntes Jungsgesicht, funkelnde Augen hinter einer schweren Hornbrille, dunkle Haartolle, breite Schultern. Genau der Typ Mann, an den man sich auf der Stelle anlehnen wollte. Was ihr als trauernder Witwe natürlich verboten war.
    »Ist es ernst mit euch beiden?«, erkundigte sie sich.
    »Nö, der ist nur zum Üben – und zwar für dich.« Ela grinste. »Wenn ich es richtig sehe, ist er der ideale Witwentröster.«
    Das war ein starkes Stück. Werners Sarg war noch in Sichtweite, und Ela wollte sie schon verkuppeln? Gut gemeint, aber voll daneben, fand Vivi. Unauffällig boxte sie ihrer Freundin den Ellenbogen in die Seite.
    »Hallo? Schon mal was von Trauerzeit gehört? Ich muss den Verlust erst mal verwinden. Und vielleicht werde ich nie wieder …«
    »Spar dir den Betroffenheitsquark«, wurde sie von Ela unterbrochen. »Mir brauchst du nichts vorzumachen. Werner war ein Ekel auf zwei Beinen. Jetzt solltest du dir mal was Nettes gönnen.«
    Was Nettes? Vivi wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Stumm sah sie zu, wie der Pfarrer eine Schaufel Erde auf den Sarg rieseln ließ. Zum Glück war Doktor Köhnemann so schwerhörig, dass er nichts von diesem reichlich frivolen Gespräch mitbekommen hatte.
    »Jetzt sind Sie dran«, sagte er zu Vivi.
    Sie schrak zusammen. Was meinte er bloß? Verhaftung? Witwenverbrennung? Oder sollte sie gleich zu Werner ins Grab springen?
    »Ich meine, mit der Schaufel«, erklärte er. »Soll ich Sie stützen?«
    »Das wäre mir eine große Hilfe«, hauchte sie. »Ohne Sie hätte ich das Ganze sowieso nicht durchgestanden.«
    Und das war zur Abwechslung mal die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.
    Das Bona fide war ein elegantes Restaurant in einem weitläufigen, gepflegten Park. Die Küche wurde ebenso gerühmt wie das edle Ambiente und der perfekte Service. Ein einziges Mal war Vivi heimlich mit Ela hierhergegangen, um sich kulinarische Anregungen zu holen. Werner hatte sich nämlich geweigert, »in so einem überteuerten Neppdings Geld zu verbrennen«, wie er es formulierte. Wenn er seine Frau überhaupteinmal ausgeführt hatte, dann in irgendwelche rustikalen Eckkneipen, wo man unförmige Jägerschnitzel mit Fertigsauce für eine Delikatesse hielt.
    Heute wurde nach Vivis Regeln gespielt. Zufrieden betrachtete sie die festlich gedeckte Tafel mit den silbernen Kandelabern. Mattgrau gewischte Wände und dunkelgraue Seidengardinen bildeten einen aparten Kontrast zum lila Teppich. Beflissen huschten Ober mit langen weißen Kellnerschürzen umher.
    Vivi staunte nicht schlecht über ihre Gäste, denn deren pietätvolle Zurückhaltung verwandelte sich schon während des Aperitifs in lärmende Schwatzhaftigkeit. Gerade noch Trauerstimmung und schon wieder im Feiermodus, dachte sie, das ging aber schnell.
    Alle redeten aufgekratzt durcheinander. Sogar ihre vierundneunzigjährige Tante Elfriede, die eigens aus Koblenz angereist war, amüsierte sich prächtig. Sie saß neben Doktor Köhnemann, der Anekdoten aus seinem langen Arztleben zum Besten gab. Kegelbrüder, die sich kaum noch an Werner erinnerten, erzählten von seinen Heldentaten. An manchen Abschnitten des Tisches hörte man sogar Gelächter. Von Trauer keine Spur. Wie auch? Werner vermisste hier keiner. Im Gegenteil. Er hätte nur gestört.
    Vivi residierte an der Stirnseite der Tafel. Rechts und links von ihr saßen Werners Kinder, so wie es sich gehörte, was bedeutete, dass sie sich die spitzen Kommentare von Inge-Gundula und die nervtötenden Fachsimpeleien von Hans-Peter anhören musste.
    Werners Tochter Inge-Gundula war Ende zwanzig, eine früh verhärmte Buchhalterin in einem verfilzten schwarzenWollkleid. Ihre Theorien über den Vorteil verschiedenfarbiger Heftklammern übten eine ausgesprochen einschläfernde Wirkung auf Vivi aus. Hans-Peter, ein früh vergreister Dreißiger, war übergewichtig wie sein Vater und hatte wie dieser eine Laufbahn als Steuerberater eingeschlagen. Gnadenlos langweilte er Vivi mit den neuesten Entwicklungen des Steuerrechts.
    Sie aß stumm ihre Vorspeise, einen Salat aus Wildkräutern mit gerösteten Haselnüssen und gebratenen Wachtelbrüsten. Ab und zu sah sie zu Richard hinüber. So hieß Elas Bekannter. Er saß am anderen Ende der Tafel, doch sie konnte deutlich seine sonore Stimme hören, mit der er die Umsitzenden unterhielt. Es schien amüsant zu sein, was er erzählte. Immer wieder brach man dort in Lachen aus.
    »Hörst du mir überhaupt zu?«
    Die vorwurfsvolle Miene
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