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Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman

Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman

Titel: Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
Autoren: Ellen Berg
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Wänden hingen scheußliche Ölgemälde, wie überall im Haus, Erbstücke ihres Mannes. Der Kronleuchter über dem Tisch funkelte matt im letzten Abendlicht, das durchs Fenster fiel.
    Noch immer lag Werners Gesicht im Teller. Dies war ohne Frage der schlimmste Moment in Vivis Leben – gefolgt von der Hochzeitsnacht und der letzten Krampfaderverödung. Und sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie es weitergehen sollte.
    Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihrer Erstarrung. Sie zuckte zusammen. Was jetzt? Sollte sie abheben? Oder zuerst einen Notarzt bestellen? Das hättest du sofort machen müssen, schoss es ihr durch den Kopf. Vielleicht wäre Werner ja noch zu retten gewesen. Warum hatte sie nichts unternommen?
    Das Telefon hörte gar nicht mehr auf zu klingeln. Und falls nun jemand ihren Mann sprechen wollte? Was sollte sie dann sagen – »Sorry, den habe ich gerade vergiftet, rufen Sie später noch mal an«?
    Denk nach, ermahnte sie sich. Wenn du jetzt einen Fehler machst, kannst du den Rest deines Lebens die Gitterstäbe einer Einzelzelle zählen. Du brauchst einen Schutzengel. Oder besser, einen Schutzteufel.
    Sie gab sich einen Ruck. Dann rannte sie ins Wohnzimmer, wo das Telefon stand. Eilends machte sie Licht, bevor sie abhob und sich steif auf die Couch setzte.
    »Sylvia Bernburg«, sagte sie so kontrolliert wie möglich. »Wer ist da, bitte?«
    »Hallo Vivi«, hörte sie die fröhliche Stimme ihrer besten Freundin Ela. »Ich bin gerade in der Stadt. Was hältst du von einem Aperol Spritz in Hugos Bar? Oder hält dich dein Werner wie üblich im Eheknast gefangen?«
    Beim Wort Knast spürte Vivi einen Stich im Magen.
    »Ähäää, i-ich, w-wir«, stotterte sie, »wir haben’s uns geradegemütlich gemacht. Ein andermal vielleicht. Und nur, damit das mal klar ist: Ich bin hier nicht im Knast.« Sie schluckte. »Ich liebe meinen Mann.«
    Das hatte sie seit Jahren nicht mehr gesagt. Auch deshalb, weil es nicht die geringste Veranlassung dazu gab. Sie hatte Werner irgendwie gemocht. Vertraut waren sie gewesen, eingespielt. Na gut, im Grunde hatte sie ihn zuletzt nur noch ertragen. Doch man konnte nicht vorsichtig genug sein. Am Ende würde man auch Ela befragen, wenn es zum Prozess kam. Da machte sich eine Liebeserklärung gut.
    Am anderen Ende der Leitung war ein Kichern zu hören.
    »Allerliebste Vivi«, gluckste Ela. »Nach drei Ehemännern kann ich es dir schriftlich geben: Die Ehe ist ein Gefängnis. Der einzige Vorteil besteht darin, dass man Sex mit dem Gefängniswärter haben kann.«
    Vivi runzelte die Stirn. Das Gespräch nahm eine Wendung, die ihr bei weitem zu heikel war.
    »Hm. Sehr lustig«, sagte sie. »Ich schmeiß mich dann später weg. Tut mir leid. Heute passt es nicht.« Damit legte sie auf.
    Für Ela war das Leben eine einzige Party. Für Vivi dagegen fühlte sich das Leben eher wie eine Tupperparty an: außen spießig, innen hohl. Ihre Freundin lebte in Frankfurt, gut fünfzig Kilometer entfernt von dem Wiesbadener Vorort, wo Vivi hängengeblieben war. Mit Werner.
    Seufzend lehnte sie sich auf der Couch zurück. Im dunkelbraunen Samt der Sitzfläche zeichneten sich zwei Kuhlen ab, eine tiefere und eine flachere. Hier hatten sie Abend für Abend gesessen. Stumm, den Blick auf den Fernsehschirm gerichtet. Die einzige Abwechslung hatte darin bestanden, dass Wernerab und zu »noch ’n Bier« grunzte. Vivi hatte es immer betreutes Fernsehen genannt.
    Die Couch fliegt als Erstes raus, durchfuhr es sie plötzlich. Und dann sind die grässlichen Ölgemälde dran. Jetzt richte ich das Haus so ein, wie ich es will!
    Einen Augenblick später erschrak sie über ihre Gedanken. War sie wirklich so gefühllos, dass sie schon über eine neue Inneneinrichtung nachdachte, obwohl Werner noch nicht einmal kalt war? Angestrengt horchte sie in sich hinein. Nein, da waren keine Gefühle. Keine Trauer, kein Bedauern. Hm, da war doch etwas: grenzenlose Erleichterung. Sie konnte es selbst kaum fassen.
    Hätte man sie noch am Morgen gefragt, ob sie glücklich sei, so hätte sie vermutlich geantwortet: ja, irgendwie. Jetzt wurde ihr bewusst, dass die letzten zehn Jahre ihrer Ehe nur noch ein staubtrockenes Grauen gewesen waren. Die übliche Mischung aus Bequemlichkeit, Gedankenlosigkeit und Desinteresse. Ein Leben ohne Zärtlichkeit. Und ohne Sex. So viel zum Thema Gefängniswärter.
    Vivi schaute an sich herab. Unter ihrer Kochschürze trug sie eine Caprihose aus grüner Seide und ein weit ausgeschnittenes
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