Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich
Autoren: Jenn Ashworth
Vom Netzwerk:
beugt sich vor und zieht das grüne Tabakpäckchen aus ihrer Gesäßtasche. Das Feuerzeug liegt zwischen uns auf dem Boden, während sie mit Streichhölzern und Filtern herumfummelt und den transparenten Streifen des Papiers über ihre Zunge zieht.
    »Hier«, sagt sie und gibt mir eine Selbstgedrehte. Ich zünde sie mit einem Streichholz an, und wir blasen zusammen den Rauch aus. Mein Schlafzimmer ist winzig, und der Qualm bildet bald einen schwachen Heiligenschein um die nackte Glühbirne an der Decke, eingehüllt in ihre eigenen klebrigen Spinnfäden voller Staub.
    »Das sieht nicht aus wie Chloes«, sagt sie. »Kommt das auch in die Schachtel?«
    Ich weiß, was sie denkt. Es ist nicht rosa. Es ist nicht flauschig. Es funkelt nicht und riecht nicht nach Erdbeeren, es glitzert nicht und glüht auch nicht im Dunkeln. Also kann es nicht von Chloe sein. Eine lange Minute verstreicht, bevor ich antworte.
    »Das hat Carl gehört«, sage ich. »Und er hatte es von Wilson. Oder Wilson hat es verloren, und Carl hat es gefunden. Ich weiß nicht mehr genau.«
    »Carl hat es dir gegeben?«, fragt sie vorsichtig. »Als Geschenk?« Bei »Geschenk« kippt ihre Stimme, und mir wird bewusst, was sie andeutet, was sie mir anbietet. Ich kann reden, wenn ich will. Ich kann auf diese Art ihre Freundin sein.
    »Nein«, sage ich. »Ich habe es im Wald gefunden.«
    Ich deute lustlos auf den Fernseher im Zimmer nebenan. Wir haben ihn angelassen, und durch die Diele und zwei angelehnte Türen kann ich immer noch Terrys Stimme hören. Er spricht in die Stille, spricht von menschlichem Versagen und von Bedauern und davon, dass er trotz allem die Gelegenheit nutzen möchte, um die Höhepunkte seiner Karriere kurz zusammenzufassen. Emma hatte recht. Er kann nicht davonkommen, ohne zuzugeben, dass er sich geirrt hat.
    »Derselbe Wald wie im Fernsehen?«
    »Ja.«
    Emma blickt auf das Feuerzeug und dann auf mich. Sie ist ruhig. Sie hebt es auf, mustert es wieder, während sie ihren Zigarettenstummel zu Ende raucht.
    »Sie lässt normalerweise die Hüllen fallen, sobald man es anmacht«, sage ich.
    Emma nickt. »Kenne ich. Die kann man überall kaufen. Im Ein-Pfund-Laden, im Kiosk, in Kneipen. Kriegt man überall.«
    Hier gibt es keinen Aschenbecher. Keine geschickt abgestellte leere Kaffeetasse oder Weinflasche. Sie schnippt die Asche in den Schuhkarton und drückt die Zigarette im Deckel aus.
    »Es hat Wilson gehört«, sage ich, und Emma sieht mich wieder an – mit demselben gleichmäßigen, undurchschaubaren Ausdruck in ihrem Gesicht.
    »Ich will es gar nicht wissen«, sagt sie. »Ich habe nicht danach gefragt, oder?« Sie reißt die Augen weit auf, und ich kann sehen, dass sie an ihrer Unterlippe knabbert.
    »Nein«, sage ich.
    »Dann soll es also auch in die Schachtel?«, fragt sie in neutralem Ton.
    »Ja, okay. Weg damit.«
    Sie wirft es in den Karton und lässt sich endlos Zeit, während sie den Inhalt flachdrückt und die Papiere und Fotos umschichtet, damit sie den Deckel richtig schließen kann.
    »Sonst noch was?« Sie ist jetzt munter und effizient. Sie klingt wie Barbara. Ich überlege, was noch im Haus sein könnte – ob Barbara mein Zimmer so schnell geräumt hat wie das von Donald. Ich denke an meine alten Sachen und frage mich, wer auf dieser Welt sie in Schubladen verstaut und sicher aufbewahrt für mich.
    »Nein, das war’s«, sage ich. »Sonst habe ich nichts.«
    »Gut. Na los, komm, steh auf und zieh deine Jacke an.«
    »Was machen wir damit?«
    »Wir werden alles wegschmeißen«, sagt Emma, als erwarte sie, dass ich ihr widerspreche.
    »Ich kenne eine gute Stelle«, sage ich. »Können wir deinen Wagen nehmen?«
    Sie nickt.
    Draußen wird es hell, aber die Straße ist leer. Ich war schon mal so früh auf. Der Brotwagen müsste gleich kommen – und der Milchwagen und der erste Berufsverkehr. Der Frühbus. Aber da ist nichts, und statt einer Straße mit lauter verdunkelten Fenstern sehen wir, dass die Lichter immer noch hinter den geschlossenen Vorhängen brennen; Menschen, die lange aufgeblieben sind, bis in die Früh – so lange es eben dauert. Die Fahrradständer vor den Wohnblöcken sind immer noch voll: Niemand geht heute früh aus dem Haus zur Arbeit.
    »Wir verpassen Terrys Rücktrittsrede«, sage ich, ohne es wirklich zu meinen.
    Emma dreht den Schlüssel in der Zündung und lächelt.
    »Na und? In ein paar Stunden sind wir wieder da und können seinen Abschlusskommentar hören. Sobald er weg ist, wird Fiona ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher