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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich
Autoren: Jenn Ashworth
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denken werden, bis an ihr Lebensende«.
    Sie zeigten Bilder von der Schule und dem Parkplatz am Rand des Naturschutzgebiets und vom Weiher. Er sah aus wie immer. Man konnte das Loch im Eis nicht sehen – nur die Bäume und viele Fahrzeuge und blau-weißes Flatterband zwischen der Bank und dem Geländer.
    Schließlich wurde mir bewusst, was Terry sagte. Nicht nur die Worte, sondern die Botschaft dahinter. Anscheinend war Chloe vor den Augen ihrer Eltern verwelkt, nachdem sie ihr den Umgang mit Carl verboten hatten. Carl, der nicht dreiundzwanzig war, wie wir gedacht hatten, sondern neunundzwanzig (und betrauert wurde von seiner Mutter, die im Rollstuhl saß und erzählte, dass er sie mit seinem Wagen immer zum Supermarkt gefahren hatte, da hätte kommen können, was wollte, und aus diesem Grund stellte Terry ihn als einen Helden hin), hatte ein Paar teure Stiefel in der Farbe von braunen Umschlägen und eine fast neue Jeans an einen Freund verschenkt. Und dann hatten er und Chloe Händchen gehalten und Sekt getrunken und waren hinausgegangen auf das Eis, der Unterkühlung, ernsthaften Verletzungen und dem sicheren Tod entgegen, wegen ihrer großen und unbändigen (kein Wort, das man oft in den Nachrichten hört) Liebe füreinander.
    Ein Selbstmordpakt am Valentinstag. Und die Sache ist die, dachte ich, während ich Marmite von meinem Daumen leckte und eine Banane zum Nachtisch in Erwägung zog, dass dies genau die Art von schwülstiger, vom Fernsehen beeinflusster, schmalziger Geste war, die zu Chloe passte. Die Leute, die sie kannten, waren schockiert, und sie waren traurig, aber sie waren nicht überrascht.
    Es war eine Sondersendung: Sie unterbrachen Family Fortunes , und Terry Best interviewte diverse Fachleute – darunter Patsy, die Schulschwester. Sie gab, leicht angesäuselt, fünf hilfreiche Tipps für Eltern von Mädchen im Teenageralter, die auf dem Monitor hinter ihr in Courier-Schrift eingeblendet wurden, während sie sie aufzählte. Patsy schien zu glauben, dass Chloe an einer Essstörung gestorben war. Sie sprach darüber, wie wichtig es sei, sicherzustellen, dass junge Mädchen keine Hemmungen wegen ihrer wachsenden Brüste entwickelten und dass sie natürliche Rundungen (sie zeichnete eine Silhouette in die Luft vor ihrem Pullover) nicht mit unerwünschter Gewichtszunahme verwechselten. Das war nie Chloes Problem.
    Ich wunderte mich über gar nichts mehr. Ich wartete, dass noch etwas passierte, etwas Schlimmeres, oder Wichtigeres, aber jedes Mal, wenn meine Gedanken vorwärtsglitten, um darüber nachzudenken, was es sein könnte, ging ein Licht aus, und alles wurde dunkel, und ich konnte an gar nichts mehr denken. Das Gefühl war neu und eigenartig, aber es ließ mich nie wieder richtig los.
    Ich starrte auf meinen Fernseher, und ich sagte kein Wort zu jemandem.
    Nicht lange danach begannen die Befragungen. Die Fotoaufnahmen. Sie wollten, dass Emma und ich ihnen alles erzählten. Ich wusste, was sie hören wollten. Wir haben geholfen, Chloe zu dem zu machen, was sie heute ist.
    Als der Frühling richtig anbrach, beauftragte der Schulleiter jemanden damit, den betonierten Schulhof aufzureißen, und ließ ihn mit gelben Juliet-Rosen bepflanzen. Die Stadt hat nie so gestunken wie im späten Frühjahr 1998. Eine Menge Leute bepflanzten die Beete, und obwohl die Rosen inzwischen, zehn Jahre später, längst aus der Mode gekommen sind, kann man sie immer noch gelegentlich riechen.
    In meinen Träumen ist es nun immer Nacht, und ihre triefenden Köpfe tauchen wieder und wieder an der Oberfläche auf. Sie wollen oben treiben, und meine Hände und Arme sind steif gefroren von dem Versuch, sie wieder nach unten zu drücken.

30
    Emma und ich ziehen die Schubladen der hohen Kommode in meinem Schlafzimmer auf. Sie hockt auf dem Teppichboden neben mir. Ich kann ihre Turnschuhe riechen und sehe das Muster ihrer Strümpfe aus dem Augenwinkel, während ich die klemmende untere Schublade rüttelnd aufziehe. Die Teppichfasern bohren in meine Handflächen, als ich mich zu ihr beuge. Ich fühle mich jung, so in der Hocke auf dem Boden mit ihr. Wir hätten bessere Freundinnen sein können, Emma und ich, wenn Chloe nicht gewesen wäre.
    »Dann lass uns mal ausräumen«, sagt sie.
    Die Fotos von Chloe sind zwischen gefalteten Jeans und Sweatshirts verstaut und verstecken sich unter Sockenbällen und alten Halstüchern, die ich schon seit Jahren nicht mehr getragen habe. Wir nehmen die Klamotten heraus, werfen sie auf mein
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