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Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Titel: Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
Autoren: Jaye Ford
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Noch nicht.

47
    Das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie konnte den Verkehr auf der Park Street hören. Leises Schluchzen. Es war ihr eigenes.
    Schön, du hast es verpasst, Ray. Nun hatte sie Todesangst. Und der Tod würde bald kommen.
    Im Parkhaus war niemand gewesen. Niemand wusste, dass sie hier war. Selbst wenn jemand zu seinem Wagen ging, musste er sie nicht unbedingt bemerken. Man würde sie am Morgen neben Ray auf der Straße finden. Mit verrenkten Gliedmaßen, zerschmettert. Was würden die Leute denken? Dass sie sich hinuntergestürzt hatte? Dass sie mit Ray gesprungen war? Nein, Daniel würde aussagen. Er würde am Leben bleiben. Er hatte Ray überlebt.
    Genau wie Cameron und ihr Vater.
    Sie würden trotzdem Schmerz empfinden. Mein Gott, Cam. Sie wollte ihn noch einmal umarmen, ihn fest in die Arme schließen. Sie wollte ihrem Vater sagen, dass sie bis zum Ende gekämpft hatte. Genau, wie er es ihr beigebracht hatte.
    Sie holte Luft. Winkelte ein Knie ab, zog es hoch, spürte, wie sie zu schwingen, aber ihre Hände zu rutschen begannen. Komm schon, Liv. Stirb wenigstens in Aktion. Nicht hängend. Sie versuchte es erneut. Spürte, wie das Geländer sich bewegte. Doch das war nicht das Metall. Es war ihre Hand. Ihre gebrochene rechte Hand. Sie rutschte ab. Sie stieß einen kurzen, spitzen Schrei aus, als die eine Hand den Halt verlor und sie nach links schwang. Sie packte mit der anderen Hand fester am Geländer zu, spürte den nassen Schweiß, ihre nasse Handfläche. Liv, jetzt noch nicht.
    Ein Geräusch drang von oben zu ihr herab. Vielleicht war es nur etwas, das vom Wind durch die Garage getrieben wurde. Bitte mach, dass es was anderes ist.
    Dann zuckte sie zusammen. Etwas berührte ihren Arm. Die Hand, die sich noch am Geländer hielt. Ihre Finger drohten abzurutschen. Sie kniff die Augen zusammen und erwartete zu fallen.
    »Ich hab dich.«
    Das war Daniels Stimme. Sie war tief und ruhig. Sie war in ihrem Kopf, so wie die ihres Vaters.
    »Liv, sieh mich an.«
    Das war eine Anweisung. Sie öffnete die Augen und sah nach oben. Daniels Oberkörper hing über dem Geländer, er hatte einen Arm nach unten gestreckt und sie mit seiner großen Hand zwischen Ellenbogen und Bizeps gepackt. Jetzt spürte sie es auch. Ein schmerzvoll zerrender Schraubgriff. Wie zum Teufel war er hergekommen?
    »Ich lasse dich nicht fallen«, sagte er. Er hatte Blut im Gesicht und auf seinem T-Shirt. »Ich halte dich fest, okay?«
    Sie konnte nicht nicken. Konnte nicht antworten.
    »Aber ich bin verletzt. Ich krieg dich nicht hoch. Ich lasse dich nicht los, aber du musst dich selbst hochziehen.«
    Wie denn? Dazu musste sie sich bewegen. Sie musste versuchen, nach außen zu schwingen. Dann konnte er sie nicht mehr halten. Sie senkte den Blick, sah nach unten ins Leere.
    »Schau nicht nach unten, Liv. Behalte den Blick oben. Sieh mich an.«
    Sie sah wieder hoch. Er plagte sich, schwitzte und atmete schwer. Doch sie konnte sich einfach nicht überwinden.
    »Komm schon!«, sagte er. Es klang ermutigend, nicht ungeduldig.
    Was zum Teufel wusste er schon davon, wie es war, an einem seidenen Faden zu hängen. »Du kannst mich nicht halten.«
    »Ich lass dich nicht los, Liv. Ich stütze mich an der Brüstung ab. Wenn ich mich nicht mehr halten kann, stürze ich mit dir ab. Entweder kommst du jetzt rauf, oder wir fallen beide runter.«
    Das klang nach einem Spruch, Retter an Opfer. Damit sie ihm vertraute, sie Mut fasste. Doch sie wusste, dass dem nicht so war. Sie wusste von seiner Todesliste. Rachel hatte recht. Er hatte versucht sie zu retten, versucht sie am Leben zu halten und zu verhindern, dass sie auf seiner Todesliste landete – und somit aus seinen Träumen verschwand.
    »Es ist deine Entscheidung«, sagte er.
    Er hatte es nicht verdient, mit ihr in den Abgrund zu stürzen, doch sie konnte ihn auch nicht bitten loszulassen. Sie winkelte das Knie an und bewegte es nach oben.
    Ihre Hand rutschte am Geländer ab. Daniels Finger krallten sich in ihr Fleisch. Er verlagerte sein Gewicht und beugte sich weiter vor. Sie hatte das Gefühl zu fallen, als würde er sie loslassen. Sie schrie auf und ließ ihr Knie wieder sinken. Der Schrei hallte durch das Parkhaus auf die Straße hinaus.
    »Herrgott, Liv. Ich hätte nicht gedacht, dass du so leicht aufgibst.«
    »Ich gebe nicht auf.«
    »Dann beweg deinen Arsch hier rauf.«
    Diesmal schwang sie ihr Knie mit Wucht nach oben, fand die Kante der Brüstung und hakte sich daran fest. Das verstärkte
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