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Ich hatte sie alle

Ich hatte sie alle

Titel: Ich hatte sie alle
Autoren: Katinka Buddenkotte
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sondern mindestens eine halbe Stunde. Für uns alle wenig überraschend, sprach Amanda jedoch ganz andere Bedenken aus: »Ich kann mich nicht einfach so unter das Publikum einer Fernsehshow mischen. Wenn meine Agentin das sieht, gibt es Ärger. Es sei denn natürlich, ich behalte die Rechte – für die eine Ausstrahlung und sämtliche Wiederholungen.«
    Amanda kannte sich aus im Business. Leider hatte noch keiner in Hollywood etwas davon mitbekommen.Oder sie wurde nicht zu den Castings eingeladen, weil alle Produzenten vor ihren knallharten Geschäftsbedingungen erzitterten.
    Mary hatte ebenfalls einen guten Grund, nicht mit zu den Paramount Studios zu gehen. Sie war einfach zu faul dazu. Vor drei Jahren war sie mit Sandra nach Hollywood gekommen, hatte sich einen Job im Souvenirladen nebenan gesucht und den Rest der Zeit darauf gewartet, dass ein Prinz auf seinem Pferd vorbeitraben würde, um sie mit auf sein Schloss zu nehmen.
    Erstaunlicherweise war diese Taktik erfolgreich gewesen, zumindest zeitweise. Letztes Jahr hatte sie vor ihrer Zimmertür Ted, Millionär auf Durchreise, kennen gelernt. Er verliebte sich sofort in Mary und hielt um ihre Hand an. Mary ließ sich von Ted mit auf Weltreise nehmen, wohnte eine Zeit lang mit ihm in seinem Haus in Sydney und genoss das süße Leben. Eines Tages fiel ihr auf, wie sehr sie ihre Freundin Sandra doch vermisste, und fragte ihren Teddy, ob Sandra nicht auch bei ihnen in Australien wohnen könnte. Ted sagte, er stelle sich das nicht so einfach vor – schließlich würden Sandra und Mary sich, sobald sie sich sähen, nonstop in den Haaren liegen.
    Mary war so gekränkt über Teds Worte, dass sie ihn verließ und wieder zu uns ins Hostel zog. Sandra weinte vor Glück, als Mary plötzlich wieder vor der Tür stand. Dann fragte sie Mary unvorsichtigerweise, ob sie vielleicht etwas von Teddys Millionen mitgebracht hätte, und seitdem stritten sich die beiden wieder vierundzwanzig Stunden täglich.
    Also knotete sich Mary den Bademantel zu und maulte: »Sandra, wenn du da hingehst, komme ich auf keinen Fall mit.« Zum Glück hörte Sandra das nicht, sonst hätten wir anderen wieder unter den Kollateralschäden gelitten, die Sandras und Marys Schlägereien normalerweise mit sich brachten. Sandra war zu sehr damit beschäftigt, sich fürs Fernsehen schön zu machen. Nur für den Fall, dass die Sendung in Schottland ausgestrahlt würde und ihre Mutter es zufällig sähe, zog sie ein Blümchenkleid an, in dem sie nach dem aussah, was sie tatsächlich war: eine bekennende Lesbe, deren größte Angst es ist, dass ihre Mutter sie für lesbisch halten könnte.
    Auch Greta hatte ihre Bedenken. Entweder würde sie die Einladung von diesem unglaublich coolen Produzenten annehmen und mit ihm noch am selben Tag eine tolle Platte aufnehmen, die sie schon ganz bald reich und berühmt machen würde, oder sie kam mit Sandra mit und hätte ganz bald Geld für ein Mittagessen. Greta stand auf und sagte: »Okay, ich bin dabei. Ich lass’ den Typen zappeln. Ich hab es nicht nötig, mit jedem dahergelaufenen Idioten eine Platte zu machen.«
    Natürlich hatte Greta Recht, und sie sprach aus Erfahrung. Sie war schon mit einem halben Dutzend dahergelaufener Idioten mitgegangen, um Aufnahmen zu machen. Von einer dieser Unternehmungen existiert auch tatsächlich eine Kassette, von den anderen Treffen kam Greta stets im Taxi und ohne Höschen zurück. Bei Gretas Glück war der Typ, den sie an jenem Tag stehen ließ, tatsächlich ein richtiger Produzent.
    Welche Gründe genau hatte ich, nicht mit zu dieser TV-Show zu kommen? Vielleicht meine Abneigung gegenüber Nicolas? Weil ich wusste, dass er für jeden, den er dorthin brachte, eine fette Provision kassieren würde? Fand ich es einfach ungerecht, dass Nicolas erst seit drei Wochen hier war, aber schon so etwas Ähnliches wie einen echten Job gefunden hatte? Gönnte ich ihm das Geld etwa nicht, weil er mich mit seinem griechischen Akzent zu sehr an Costas, unseren Herbergsvater und Sklaventreiber, erinnerte? War ich fies, gemein und rassistisch geworden? Vermutlich schon. Aber vielleicht erinnerte mich Sandras Frage auch nur zu sehr an ein Zitat aus einem Buch, das ich mal gelesen hatte: »Berühmte letzte Worte«.
    »Ja, warum gehen wir nicht einfach hin? Zwanzig Dollar sind zwanzig Dollar!«, sagte ich und zog meine Schuhe an.
    Das Argument schien Amanda zu überzeugen, Agentin hin oder her. Nur Mary drehte sich beleidigt um und beschloss, in
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