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Ich hasse dich - verlass mich nicht

Ich hasse dich - verlass mich nicht

Titel: Ich hasse dich - verlass mich nicht
Autoren: J Kreisman
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Borderline-Persönlichkeit weder leicht von anderen Familienmitgliedern ablösen, noch kann sie ihre Familie von der übrigen Welt trennen.
    Die Borderline-Persönlichkeit kann ihre Welt nicht durch die Augen eines Erwachsenen sehen, sondern erlebt das Leben weiter wie ein Kind – und somit auch mit den intensiven Emotionen und Perspektiven eines Kindes. Wenn ein kleines Kind bestraft oder gerügt wird, betrachtet es sich fraglos als schlecht. Es kann sich nicht vorstellen, dass seine Mutter vielleicht nur einen schlechten Tag hat. Wenn das gesunde Kind heranreift, nimmt es seine sich erweiternde Welt als komplexer und weniger dogmatisch wahr. Aber die Borderline-Persönlichkeit bleibt stehen – sie ist ein Kind, das im Körper eines Erwachsenen lebt.
    »In der Kindheit gibt es immer einen Augenblick, wenn sich die Tür öffnet und die Zukunft einlässt«, schrieb Graham Greene in Die Kraft und die Herrlichkeit. Die meisten Borderline-Patienten müssen die Verantwortung des Erwachsenseins in der Kindheit viel zu früh übernehmen; die Tür öffnet sich immer weiter, aber der Betroffene kann das Licht nicht ertragen. Oder vielleicht ist es die unerbittliche Öffnung, die den Ausblick so erschwert.
    Für die Borderline-Persönlichkeit treten Veränderungen ein, wenn sie lernt, aktuelle Erfahrungen – und die Rückschau auf Erinnerungen aus der Vergangenheit – durch die »Brille« eines Erwachsenen zu betrachten. Die neue Sichtweise ist ähnlich wie das Anschauen eines alten Horrorfilms im Fernsehen, den man seit Jahren nicht gesehen hat: Der Film, der einst auf der großen Leinwand so schrecklich schien, scheint auf dem kleinen Schirm bei normaler Beleuchtung harmlos, ja sogar albern. Man kann nicht mehr nachempfinden, warum man sich beim ersten Mal so sehr davor gefürchtet hat.
    Als Elisabeth in ihrer psychotherapeutischen Behandlung schon weit fortgeschritten war, konnte sie ihre frühkindlichen Erfahrungen in ganz anderem Licht betrachten. Sie begann, sie zu akzeptieren und den Wert der eigenen Erfahrung zu erkennen. Wären diese frühen Gefühle und Erfahrungen nicht gewesen, hätte sie ihre neue Karriere als Rechtsanwältin nicht mit diesem Elan und dieser Motivation angehen können. »Die Gefühle, die ihren Ursprung in meiner Kindheit haben«, erklärte sie, »verfolgen mich immer noch. Aber selbst das sehe ich jetzt in einem anderen Licht. Die Dinge, die ich gehasst habe, akzeptiere ich jetzt, weil sie ein Teil von mir sind.«
    Mit den ausgeteilten Karten spielen
    Das größte Hindernis auf dem Weg zur Veränderung für die Borderline-Persönlichkeit ist die Neigung, alles in absoluten Extremen zu bewerten. Die Borderline-Persönlichkeit muss entweder ganz perfekt sein, oder sie sieht sich als völligen Versager. Sie bewertet sich entweder mit »Eins plus«, aber wahrscheinlich eher mit »ungenügend«. Statt aus dem »Ungenügend« zu lernen, trägt sie es wie ein Brandmal mit sich herum und macht dieselben Fehler immer wieder. Sie erkennt die eigenen Verhaltensmuster nicht, Muster, aus denen sie lernen und an denen sie wachsen könnte.
    Die Borderline-Persönlichkeit ist nicht gewillt, mit den Karten zu spielen, die an sie ausgeteilt wurden. Sie legt die Karten ab, verliert den Einsatz, wartet darauf, vier Asse zu bekommen. Wenn sie sich nicht sicher ist, dass sie gewinnen kann, spielt sie nicht aus, was sie in der Hand hat. Die Situation bessert sich, wenn sie lernt, ihre Karten zu akzeptieren, und erkennt, dass sie immer noch gewinnen kann, wenn sie geschickt spielt.
    Die Borderline-Persönlichkeit wird wie viele andere Menschen auch bisweilen durch Unentschlossenheit gelähmt. Die verschiedenen Alternativen scheinen überwältigend, und die Borderline-Persönlichkeit fühlt sich unfähig, irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Aber wenn sie reifer wird, werden die Wahlmöglichkeiten weniger schrecklich und können sogar zu einer Quelle von Stolz und wachsender Unabhängigkeit werden. An dieser Stelle erkennt die Borderline-Persönlichkeit, dass sie vor Entscheidungen steht, die nur sie treffen kann.
    »Ich stelle fest«, bemerkte Elisabeth, »dass die Wurzeln meiner Unentschlossenheit der Beginn meines Erfolgs sind. Das heißt, die Qual, wählen zu müssen, bedeutet für mich, dass ich plötzlich Wahlmöglichkeiten sehe.«
    Grenzen festlegen: Die Begründung einer Identität
    Eines der Hauptziele der Borderline-Persönlichkeit ist es, ein eigenständiges Identitätsgefühl zu entwickeln und die
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