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Ich gehoere zu dir

Ich gehoere zu dir

Titel: Ich gehoere zu dir
Autoren: Cameron W Bruce
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Wie auf Kommando schossen wir los.
    »Da kommen sie«, schrie der Mann hinter uns.
    Als wir das Bachbett erreichten, wussten wir nicht weiter. Schwesterchen und ich versteckten uns hinter dem Schnellen. Wenn er unbedingt der Boss sein wollte, dann sollte er jetzt auch sehen, wie er klarkam!
    Von Mutter war weit und breit nichts zu sehen. Die Männer standen jetzt auf beiden Seiten der Uferböschung und schwangen ihre Stangen. Der Schnelle duckte sich unter einer weg, aber die andere erwischte ihn, und der Mann zog die Schlinge zu. Schwesterchen nutzte das Durcheinander zur Flucht. Ihre Füße platschten im Wasser, als sie davonhastete. Aber ich stand nur wie angewurzelt da und blickte zur Straße hinauf.
    Da oben stand eine Frau mit langem weißem Haar und einem unglaublich freundlichen Gesicht. »Ganz ruhig, Hündchen! Alles in Ordnung«, rief sie. »Komm her! Alles in Ordnung.«
    Ich lief nicht weg. Ich bewegte mich, ehrlich gesagt, gar nicht. Stattdessen ließ ich zu, dass mir die Schlinge über den Kopf und dann eng um den Hals gezogen wurde. Dann wurde ich an der Stange die Böschung hinaufgeführt.
    »Das ist ein Lieber«, rief die Frau. »Lasst ihn frei.«
    »Dann haut er doch ab«, rief ein Mann zurück.
    »Ach, was! Nehmt ihm die Schlinge ab!«
    Ich hörte alles, verstand aber kein Wort. Ich begriff nur, dass die Frau der Boss zu sein schien, obwohl sie älter und kleiner war als die Männer. Der Mann, der mich gefangen hatte, stieß einen leisen Fluch aus und machte die Schlinge los. Dann streckte die Frau ihre Hände nach mir aus. Sie waren rau wie Leder und rochen nach Blumen. Ich schnupperte daran und senkte ergeben den Kopf. Die Frau roch liebevoll und besorgt.
    Sie streichelte mir über den Rücken, und ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus. Mein Schwanz wippte ganz von allein, und als die Frau mich dann auch noch hochhob, küsste ich ihr das Gesicht, und sie lachte.
    Doch dann kippte die Stimmung, als einer der Männer mit dem leblosen Körper des Hungrigen ankam. Sie schüttelte den Kopf und schien sehr traurig zu sein. Der Mann brachte den Hungrigen zum LKW, wo Mutter und der Schnelle schon in einem Metallkäfig hockten. Ich habe heute noch den Geruch des Todes in der Nase, den der Hungrige an diesem Tag in der trockenen, staubigen Luft verströmte, denn die Männer ließen Mutter, den Schnellen und mich ausgiebig an meinem toten Bruder schnüffeln. Offenbar wollten sie uns klarmachen, was mit ihm passiert war.
    Dass die Menschen alle so traurig waren, lag wohl daran, dass sie ja nicht wissen konnten, wie krank der Hungrige gewesen war, und zwar von Geburt an, und dass es ihm bestimmt war, nicht lange auf der Welt zu bleiben.
    Dann wurde ich zu den anderen in den Käfig gesteckt, und Mutter schnupperte angewidert an mir, da der Geruch der Frau in mein Fell gezogen war. Mit einem Ruck fuhr der LKW an, und ich wurde von den wunderbaren Gerüchen in den Bann gezogen, die mir der Fahrtwind um die Nase wehte. Jetzt durfte auch ich mal in einem Laster fahren! Vor Begeisterung fing ich laut an zu bellen. Mutter und der Schnelle sahen mich tadelnd an, aber ich konnte mich nicht bremsen. Es war das Großartigste, was ich je erlebt hatte. Noch besser als die Sache mit dem Frosch, den ich beinahe gefangen hätte.
    Der Schnelle hingegen schien von Trauer überwältigt zu sein, und ich brauchte eine Weile, bis ich verstand, warum: Schwesterchen, seine liebste Spielgefährtin, war aus unserem Leben verschwunden – wahrscheinlich genauso unwiederbringlich wie der Hungrige.
    Das gab mir zu denken. Die Welt war offenbar komplizierter, als ich bislang gewusst hatte. Anscheinend bestand sie nicht nur aus Mutter, meinen Geschwistern, Umherschleichen, Jagen und den Spielen in der Röhre. Größere Ereignisse waren in der Lage, das ganze Leben zu verändern – und diese Ereignisse wurden von Menschen bestimmt.
    In einem Punkt sollte ich mich jedoch geirrt haben: Der Schnelle und ich würden Schwesterchen wiedersehen. Aber das konnten wir zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht wissen.

Zwei
    Wo unsere Fahrt auch hinführen mochte – ich ahnte, dass es dort noch mehr Hunde geben würde. In unserm Käfig wimmelte es nämlich von Duftmarken, von Urin, Exkrementen, Blut, Haaren und der Spucke anderer Hunde. Mutter hockte zusammengekauert und mit ausgefahrenen Krallen da, um auf der schaukelnden, holpernden Ladefläche Halt zu finden. Der Schnelle und ich liefen auf und ab, die Schnauzen nur Millimeter über dem
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