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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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Handschellen anlegte und mir befahl mitzukommen. Die schwache Hoffnung, dass sich alles als Irrtum herausgestellt hatte und man mich freilassen würde, währte nicht lange. Ich wurde nur in einen anderen Teil des Gebäudes gebracht. Mit dem Lift ging es in den sechsten Stock.
    Diesmal sperrten sie mich in eine Zwei-Mann-Zelle zu einem wortkargen Schwarzen, der Wladimir oder so ähnlich hieß. Ganz hatte ich seinen Namen nicht verstanden. In dem höchstens sechs oder sieben Quadratmeter großen Raum standen ein Etagenbett, die mir schon bekannte Edelstahlkombination von Toilette und Waschbecken und ein winziger Schreibtisch. Wladimir hatte seine Sachen darauf ausgebreitet. Über dem Tisch hingen mehrere Grußpostkarten: zu Weihnachten, zum Geburtstag, zu Weihnachten und zum Geburtstag aus dem Jahr davor und so weiter. Dieses scheinbar harmlose private Arrangement schockierte mich: Mein Zellengenosse saß hier offenbar schon seit Jahren. Und ich wollte in spätestens ein oder zwei Tagen wieder draußen sein! Die Toilette musste ich in Anwesenheit meines roommate benutzen. Unser Raum war zudem für die guards durch Glasscheiben einsehbar.
    Als ich die Zelle zum ersten Mal verlassen konnte, begann ich die Architektur dieser Haftanstalt etwas zu verstehen. Wir befanden uns in einer von zahllosen units, die sich wabenförmig aneinanderreihten. Unsere Zwei-Mann-Zellen lagen an der Außenwand des Gebäudes und gruppierten sich in zwei Etagen um einen größeren Gemeinschaftsraum, der vor allem als Esssaal benutzt wurde. Außerdem gab es hier einen Fernseher und mehrere Telefonautomaten. Aber man brauchte, um diese zu benutzen, ein Konto und musste sich von der Vollzugsverwaltung die Nummern seiner Angehörigen freischalten lassen. Bis das geregelt ist, dachte ich, bin ich längst nicht mehr hier.
    Zur Gebäudeinnenseite hin waren die Gemeinschaftsräume, Käfigen gleich, vergittert. Dahinter saßen unsere Bewacher, die von ihrem Posten aus das Geschehen in drei bis vier units im Blick hatten, ohne mit uns direkt in Kontakt zu treten.
    Die Einrichtung war überall auf das Allernotwendigste reduziert. Im Gemeinschaftsraum bestand sie aus ein paar fest montierten Vierer-Sitzgruppen. Die graublauen Fußböden, die Tische und die wenigen anderen Möbelstücke mit ihren wischfesten Oberflächen sollten vermutlich vor allem robust und pflegeleicht sein. Aber alles wirkte klebrig und schmutzig.
    Niemals trat hier auch nur für einen kurzen Moment Ruhe ein. Ständig klapperten oder knallten Türen, wurde irgendetwas ausgeteilt oder eingesammelt, schrien Gefangene, stritten sich Männer, waren lautstarke Befehle von Wärtern zu hören. Diese Kakophonie steigerte sich ins Unerträgliche, als abends im Gemeinschaftsraum irgendein schwachsinniges Fernsehprogramm in Überlautstärke lief.
    Die meisten Mitgefangenen, die ich bei der ersten gemeinsamen Mahlzeit sah, waren junge schwarze Männer oder Latinos. Ich nahm nicht viel Kontakt mit ihnen auf. Sie begegneten mir zwar freundlich, aber mit einer gewissen Scheu. Irgendwie war ihnen wohl schnell klar, dass dieser langhaarige ältere Herr aus einer anderen Welt kam als sie.
    Mein erster Tag im Gefängnis war ein Sonntag. Wie spät es war, konnte ich nur ahnen, auch hier gab es nirgendwo eine Uhr. So konnte ich vorerst nichts anderes tun als warten. Und innerlich immer wieder die Situation durchgehen, die mich hierhergebracht hatte.

    Nach zehn Stunden Flug über den Atlantik war ich in Miami gelandet. Andreas B. hatte mich vom Flughafen abgeholt. Florida empfing mich mit schönstem, frühlingshaftem Wetter. Dieser Jahresbeginn meinte es offenbar gut mit mir: Es war gerade mal zehn Tage her, dass ich von Mallorca nach Hamburg zurückgekehrt war.
    Andreas besaß ein kleines Wohnhaus mit einem Grundstück direkt am Intracoastal. Die Platzverhältnisse – zwei Schlafzimmer, eine offene Küche – waren für amerikanische Verhältnisse eher bescheiden. Aber mit seinen perfekt gepflegten Rasenflächen, dem Swimmingpool vor der Terrasse und den Palmen, die abends effektvoll von unten angestrahlt wurden, verfügte das Grundstück über all jene Attribute, mit denen die bessergestellten Bewohner Floridas demonstrieren, dass sie auf der Sonnenseite des Lebens gelandet sind.
    Im Laufe der Jahre, in denen er mein Mandant war, hatten wir uns ein bisschen näher kennengelernt. Andreas war ein Mann etwa in meinem Alter, der einer vermögenden Familie entstammte. Nach seinem Rückzug aus der
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