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Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
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Reihe von Wohnhäusern, die ich im Laufe der Jahre in meinem Stadtteil, in Ottensen, erwerben und sanieren konnte – nicht zuletzt mit dem Ziel, eine gute Wohnsituation für meine eigene Familie zu schaffen. Inzwischen waren meine vier Kinder volljährig und gingen eigene Wege. Aber sie waren alle in Ottensen geblieben.
    Die vergangenen Jahrzehnte waren für mich eine ziemliche Hetzjagd gewesen. Das wollte ich jetzt allmählich ändern. Ich wollte mich mehr der Musik widmen, mehr Zeit in unserem Haus auf Mallorca verbringen und auch ein bisschen gesünder leben. Ein knappes Jahr zuvor hatte ich, beinahe unbemerkt, einen Schlaganfall erlitten. Nach ein paar Sekunden mit deutlichen Ausfallerscheinungen war scheinbar alles wieder in Ordnung gewesen. Doch ein befreundeter Arzt bestand darauf, der Ursache auf den Grund zu gehen, und schickte mich zum Kardiologen.
    Der diagnostizierte nicht nur den Schlaganfall, sondern stellte auch einen gefährlichen Bluthochdruck fest.
    Ich hatte mir danach vorgenommen, meinen Lebensstil zu ändern. Viel war bisher nicht daraus geworden. Aber mir war seitdem viel bewusster, wie zerbrechlich das Leben ist und wie schnell es vorbei sein kann.
    Ich war auch nicht besonders begeistert, als sich kurz vor meinem Abflug nach Kalifornien die Frage stellte, ob ich meine Reisepläne nicht ändern und einen Zwischenhalt in Florida einlegen könnte. Ein langjähriger Mandant, Andreas B.  1 , hatte mir diesen Vorschlag gemacht. Er lebte zeitweise in Fort Lauderdale, und dort wohnte auch Carl F.  2 , sein ehemaliger Geschäftspartner. Andreas B. hatte noch finanzielle Forderungen gegen ihn, und ich hatte kurz vor Weihnachten in anderer Angelegenheit einen Zivilgerichtsprozess gegen diesen Mann gewonnen.
    Jetzt war Andreas B. mit Carl F. ins Gespräch gekommen. Es sah so aus, als sei unser gemeinsamer Schuldner bereit, all diese Angelegenheiten durch einen außergerichtlichen Vergleich aus der Welt zu bringen. Auch sein Hamburger Anwalt, Hermann W.  3 , sagte zu, zu einer abschließenden Verhandlung nach Florida zu kommen. Es sah alles so aus, als könnte ich diese Akte in wenigen Wochen endlich schließen und mein Honorar in Rechnung stellen. So willigte ich schließlich ein, meinen Flug umzubuchen, das Wochenende im Haus meines Mandanten in Fort Lauderdale zu verbringen und dort unseren Schuldner zu treffen.

2
    Das Broward County Jail ist ein schmuckloser Zweckbau, der knapp drei Kilometer vom Stadtzentrum von Fort Lauderdale entfernt direkt am Intracoastal Waterway liegt. Diese Wasserstraße zieht sich, wenige Kilometer von der Küste entfernt, durch ganz Florida. Vor dem Gefängnisgebäude dümpeln die Yachten der Langzeiturlauber auf dem Wasser, rundherum stehen Apartmenthäuser, deren Bewohner auf ihren Balkonen die Sonne Floridas genießen.
    Die Gesichter, die hinter den schmalen Glasscheiben des Gefängnisses gelegentlich auftauchen, sind bleich. Statt Fenstern gibt es nur hohe, mit Drahtglas versehene Schlitze, die so schmal sind, dass sich kein menschlicher Körper hindurchzwängen könnte. Das gibt dem Gebäude von außen die Anmutung eines Bunkers. Von innen sind diese Sehschlitze mit schräg angewinkelten, erkerförmigen Vorbauten versehen. Man kann nicht direkt an die Glasscheiben herantreten. Wenn man überhaupt einen Blick nach draußen erhascht, sieht man vor allem die Fassade des Baus, in dem man sich befindet.
    Betrachtet man das Gebäude von oben – was dank Google map ohne weiteres möglich ist –, ähnelt seine Form einem in die Breite gezogenen Ypsilon. Während der Fuß dieses Ypsilons und die langen Schenkel des Gebäudekomplexes direkt an die umliegenden Straßen grenzen, erfolgt die Einlieferung der Gefangenen von der Innenseite. Aus der Vogelperspektive ist auch zu erkennen, dass es für die über 1500 Männer, die im Broward County Jail eingesperrt sind, keine nennenswerte Freifläche und keinen Sportplatz gibt.

    Den Alltag in diesem Gebäude begann ich am ersten Tag nach meiner Inhaftierung kennenzulernen. Ich wurde geweckt, weil meine Zellentür mit einem lauten Knall aufsprang. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war. Ein schwarzer guard reichte mir etwas in die Zelle. Wahrscheinlich sollte dies das Frühstück sein: ein Bagel und ein Plastikschlauch mit einer roten Flüssigkeit. Ich hatte schon seit vielen Stunden nichts mehr gegessen, aber ich bekam keinen Bissen hinunter. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis das nächste Mal ein guard kam, mir
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