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Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Titel: Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)
Autoren: Tahereh H. Mafi
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leerer Raum, dann kommen wir zu einer Tür. Die Klinke ist kaputt, man greift in Holzsplitter. Drei Herzschläge, um festzustellen, dass wir alleine sind. Ein Schritt nach vorne, um die Tür aufzudrücken. Ein leises Knarren. Der Raum fühlt sich so an wie immer. »Hier entlang«, flüstere ich.
    Ich ziehe den Zellengenossen zu der Reihe von Duschen und suche im Abfluss nach Seifenresten. Zwei Stücke finde ich, eines doppelt so groß wie das andere. »Mach die Hand auf«, sage ich in die Dunkelheit. »Es ist glitschig, lass es nicht fallen. Wir haben Glück heute, es gibt sonst kaum Seife.«
    Er bleibt ein paar Sekunden lang still, und ich bin beunruhigt.
    »Bist du noch da?« Ich frage mich, ob das die Falle ist. Der Plan. Ob er mich vielleicht in diesem engen Raum im Dunkeln töten soll. Ich habe nie erfahren, was man hier mit mir vorhat. Ob die damit zufrieden sind, mich nur wegzusperren. Aber ich habe immer damit gerechnet, dass sie mich töten wollen. Das scheint mir naheliegend.
    Ich kann nicht behaupten, dass ich es nicht verdient hätte.
    Aber ich bin hier wegen etwas, das ich niemals tun wollte. Und niemand scheint sich darum zu scheren, dass es ein Unfall war.
    Meine Eltern haben auch nicht versucht, mir zu helfen.
    Ich höre nirgendwo Wasser laufen, und mir bleibt fast das Herz stehen. Voll ist es hier nie, aber sonst sind wenigstens ein oder zwei Duschen in Betrieb. Mir ist klar geworden, dass die meisten Insassen entweder so verrückt sind, dass sie den Weg zu den Duschen gar nicht erst finden, oder dass es ihnen egal ist.
    Ich schlucke.
    »Wie heißt du?« Seine Stimme zerschneidet meinen Gedankenfluss und die Dunkelheit. Ich spüre seinen Atem, dichter bei mir als zuvor. Mein Herz rast, ich weiß nicht, warum, aber ich kann nichts dagegen tun. »Warum sagst du mir deinen Namen nicht?«
    »Ist deine Hand offen?«, frage ich heiser. Mein Mund scheint ausgetrocknet.
    Er rückt näher heran, und ich wage kaum Luft zu holen. Seine Finger streifen den starren Stoff meiner Kleidung, und ich kann ausatmen. Hauptsache, er berührt meine Haut nicht. Hauptsache, er berührt meine Haut nicht. Hauptsache, er berührt meine Haut nicht. Das scheint die Lösung zu sein. Mein dünnes T-Shirt ist im harten Wasser dieser Anstalt so oft gewaschen worden, dass es sich wie Sackstoff anfühlt. Ich lasse das größere Stück Seife in die Hand des Zellengenossen gleiten und gehe auf Zehenspitzen rückwärts. »Ich stelle jetzt die Dusche für dich an«, erkläre ich mit gedämpfter Stimme, falls mich doch jemand hören kann.
    »Was soll ich mit meinen Kleidern machen?« Er ist mir immer noch viel zu nah.
    Ich blinzle 1000 Mal. »Die musst du ausziehen.«
    Sein Lachen klingt wie amüsiertes Schnauben. »Das weiß ich. Ich meine, was soll ich mit ihnen machen, während ich dusche?«
    »Versuche sie nicht nass zu machen.«
    Er holt tief Luft. »Wie viel Zeit haben wir?«
    »Zwei Minuten.«
    »Großer Gott, wieso hast du das nicht gesa–«
    Ich stelle seine Dusche im selben Moment an wie meine, und seine Worte gehen im Prasseln der spitzen Geschosse aus den defekten Duschköpfen unter.
    Ich bewege mich mechanisch. Ich habe das schon oft gemacht und mir die effektivsten Methoden für Schrubben und Abwaschen und den sparsamsten Umgang mit der Seife für Körper und Haare eingeprägt. Es gibt keine Handtücher. Deshalb darf man keinen Körperteil zu nass machen, sonst wird man nicht richtig trocken und stirbt dann fast an Lungenentzündung. Damit kenne ich mich aus.
    In genau 90 Sekunden bin ich fertig, habe meine Haare ausgewrungen und schlüpfe wieder in meine zerschlissenen Kleider. Nur meine Tennisschuhe sind noch in halbwegs gutem Zustand. Man hat hier wenig Gelegenheit, herumzulaufen.
    Zellengenosse ist fast sofort zur Stelle. Ich bin erfreut, dass er so lernfähig ist.
    »Halt dich am Saum meines T-Shirts fest«, sage ich. »Wir müssen uns beeilen.«
    Seine Finger streifen einen langen Moment meinen Nacken, und ich muss mir auf die Lippe beißen, weil das Gefühl so heftig ist. Ich bleibe beinahe stehen. Niemand berührt mit den Händen meine Haut.
    Ich haste vorwärts, um seine Finger abzuschütteln. Er stolpert hinterher, um nicht zurückzubleiben.
    Als wir schließlich wieder in der engen Zelle sind, starrt Zellengenosse mich hartnäckig an.
    Ich rolle mich in der Ecke ein. Er hat immer noch mein Bett, meine Decke, mein Kissen. Ich vergebe ihm seine Unwissenheit, aber es ist vielleicht noch zu früh, um Freundschaft zu
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