Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bleib so scheiße, wie ich bin

Ich bleib so scheiße, wie ich bin

Titel: Ich bleib so scheiße, wie ich bin
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
Vom Netzwerk:
unserem zu
vergleichen, ist die wichtigste kulturelle
Beschäftigung des 21. Jahrhunderts.
----
    Die Schreiber solcher Seifenopern oder Soaps treffen sich in regelmäßigen Abständen auf Mallorca oder in Mecklenburg-Vorpommern, schließen sich für mehrere Wochen in einer Hütte ein und legen die Zukunft der wichtigsten Protagonisten fest. Lisa soll am Ende der nächsten Staffel ihre erste Kollektion präsentiert haben, Anna ist nach sechs Folgen viel selbstsicherer geworden, Diana Sommer, die Eiskunstläuferin aus Alles, was zählt hat ihren ersten erfolgreichen Auftritt.
    Wieder zurück in Berlin, München oder Hamburg, wird dann Folge für Folge umgesetzt, was an diesen sogenannten Future-Treffen in Mallorca oder Mecklenburg-Vorpommern an Entwicklung beschlossen wurde.
    Aber es gibt Gegenentwürfe zu Lisa, Anna und Diana. Charaktere, die nicht ständig an sich herumdoktern und an ihrem Fortkommen arbeiten. Sie gehören daher auch zu den künstlerisch wertvolleren Statements in unserer Fernsehlandschaft.
    Diese Figuren treten auf der Stelle, und sie haben uns dabei etwas sehr Wichtiges mitzuteilen: Man kann das Leben meistern, auch ohne besser zu werden.
    Eine der ersten Figuren, die sich der Weiterentwicklung verweigerten, heißt Alf. Alf, der Name steht für A ußerirdische L ebens f orm, krachte im Jahr 1986 mit seinem Raumschiff in die Garage der amerikanischen Durchschnittsfamilie Tanner und wurde sofort zur Kultfigur. Ein behaarter Kartoffelsack mit dicken Beinen und Schweineschnauze, laut, gierig und vulgär. Alf muss vor den Behörden und den Nachbarn versteckt gehalten werden, das Zusammenleben mit ihm ist nicht einfach. Durch Alf schlittern die Tanners von einer Katastrophe in die andere. Er trachtet der Katze nach dem Leben, da Katzen angeblich dort, wo er herkommt, als Delikatesse gelten. Er zerstört Inventar, führt teure Ferngespräche, bestellt Berge von überflüssigen Waren und frisst den Kühlschrank leer. Trotzdem wird er von den Tanners geliebt und beschützt.
Sich nicht zu verbessern – das ist
provokant, anarchisch, innovativ.
----
    Dem hässlichen und taktlosen Wesen aus dem All ist der menschliche Tick, sich selbst ständig in Frage zu stellen, völlig fremd. Alf ist nicht darauf aus, seine Anlagen und Talente möglichst effektiv zu nutzen, er macht einfach das, was ihm in den Kopf kommt. Seine Lieblingsbeschäftigungen sind Essen, Fernsehen und Faulenzen.
    Sein häufigster Satz ist »Null Problemo«, und das meint vor allen Dingen, dass Alf sich selbst kein Problem ist.
Alf: »Mir fällt auf, dass du eine Menge
Zeit mit Reparaturen verbringst.«
Willie Tanner: »Weil du eine Menge Zeit
damit verbringst, alles kaputt zu machen.«
Alf: »Wie schön, dass sich unsere Hobbys
so gut ergänzen.«
----
    Weil Alf stets so bleibt, wie er ist, ist er übrigens nicht der Hauptcharakter einer Soap, sondern einer Sitcom. Eine Sitcom unterscheidet sich von einer Soap dadurch, dass sich die Charaktere nicht weiterentwickeln. Die Figuren sind am Ende jeder Episode so klug oder dumm wie zuvor. Es ist für eine Sitcom unabdingbar, dass die Charaktere so bleiben, wie sie sind. Aus den wiedererkennbaren Eigenschaften der Protagonisten entwickelt sich nämlich die Situationskomik. Ihre uns bekannten Schwächen lassen uns schon ahnen, mit welchen Situationen sie umgehen können und mit welchen nicht. Wir freuen uns also schon im Voraus, wenn wir absehen können, dass etwas geschieht, was den Sitcomhelden wieder in Gewissenskonflikte und Loyalitätsprobleme stürzen wird.
    Das Versagen des Sitcomhelden ist vorprogrammiert, aber was auch passiert, er behält seine Würde. Denn er steht zu sich, auch wenn sogar er selbst sich unerträglich findet. Das soll ihm mal einer nachmachen.
    Figuren aus Seifenopern führen immer etwas im Schilde, haben etwas vor, verfolgen ein Ziel, wollen jemanden ausbooten oder für sich gewinnen. Sie müssen jedes Ereignis gleich einordnen und bewerten und daraus ihre Schlüsse ziehen.
    Sitcomcharaktere dagegen wie etwa Homer Simpson oder Jessica Day, die etwas tollpatschige Grundschullehrerin aus der Serie New Girl, wollen einfach nur den Tag überstehen. Sie versuchen, wie jeder andere normale Mensch auch, Schwierigkeiten und Problemen möglichst aus dem Weg zu gehen und die Konfrontation mit ihren Mitmenschen zu vermeiden. Homer Simpson würde am liebsten den lieben langen Tag fernsehen und Donuts essen. Jess kämpft jeden Tag aufs Neue mit ihrem Liebeskummer.
    Sitcomcharaktere
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher