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Ich bleib so scheiße, wie ich bin

Ich bleib so scheiße, wie ich bin

Titel: Ich bleib so scheiße, wie ich bin
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
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meinen es im Grunde nicht schlecht, sie bemühen sich durchaus, aber gegen manche Sachen ist man eben machtlos. Wenn etwas Schlimmes passiert, so haben sie es auf gar keinen Fall gewollt. In einer Sitcom ist man mit den Widrigkeiten des Alltags beschäftigt, versucht, die Launen seiner Mitmenschen zu verstehen, und schlägt sich mit Selbstzweifeln und nicht funktionierenden Geräten herum. Dabei den Schaden in Grenzen zu halten, das ist das Ziel – für Selbstoptimierung bleibt da keine Zeit.
    Im Großen und Ganzen ein realistisches Lebensziel – nicht ganz so abstrakt wie »Karriere machen«, »den Traummann finden«, »Fotomodell oder Popstar werden« – das finden auch die Zuschauer: Im Rahmen von Marketingforschung deutscher Fernsehsender wurden Zuschauer befragt, welche Figuren sie am liebsten mögen und besonders authentisch finden. Eindeutiges Ergebnis dieser Befragungen: Sitcomcharaktere werden als sympathischer und glaubwürdiger als Seriencharaktere empfunden, auch dann, wenn sie eindeutig negative Eigenschaften haben. Die Geschichten vieler Soaps, in denen die Akteure zur persönlichen Weiterentwicklung verdammt werden, wurden indessen mit den Worten »an den Haaren herbeigezogen«, »künstlich«, »übertrieben« und »unglaubwürdig« beschrieben.
    Wenn Protagonisten ihr altes Leben hinter sich lassen, ihre größten Schwächen besiegt haben und am Schluss als die Verkörperung ihres besseren Selbst dastehen, hat das immer etwas Märchenhaftes. Von der Praktikantin zur Leiterin einer Modefirma, vom armen Schlucker zum Super-Tanzstar, vom hässlichen Entlein zur verführerischen Frau – und natürlich wird zum Schluss der Traumpartner geheiratet. Wohin es gehen soll, ist immer schon vorgegeben. Die Geschichte von der Schönen und dem Biest, die Wandlung zum Guten, und am Schluss die Erlösung durch Liebe (= Heirat) ist ein archetypisches Muster. Die Spannung dieser Geschichten entsteht durch die eigenen Schwächen, über welche die Protagonisten immer wieder stolpern, doch am Schluss kriegen sie die Kurve und legen doch noch den perfekten Lebensweg hin.
    Der Regisseur von Young Adult , Jason Reitman, findet das genauso unrealistisch wie die Fernsehzuschauer. In seinem Film erzählt er die Geschichte einer frisch geschiedenen und relativ erfolglosen Kinderbuchautorin namens Mavis Gary. Mit Mavis passiert in diesem Film eigentlich überhaupt nichts. Auch nach dem finalen Desaster hat sie keine Einsicht, sie hat sich nicht verändert und ruft auch nicht beim Therapeuten an. Der Film, der in Deutschland erstmals auf den 62. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gezeigt wurde, erhielt überwiegend positive Kritiken. Roger Ebert von der Chicago Sun-Time lobte die mutige und ehrliche Charakterstudie. In einem Interview gesteht Jason Reitmann: »Ich glaube nicht daran, dass Leute sich im Wesentlichen verändern. Die Einzigen, die das tun, sind Ex-Junkies und Ex-Alkoholiker, die ein Twelve-steps-Entzugsprogramm machen. Alle anderen bleiben Kinder.«
    Sitcomcharaktere werden gemocht wegen ihrer Fehler und Schwächen. Man leidet mit, wenn sie in peinliche Situationen geraten. Man ist auf ihrer Seite, wenn eine ihrer Notlügen auffliegt oder die Begegnung mit dem Exfreund oder der Exfreundin ganz anders verläuft, als sie sich das vorgestellt haben. Denn all das, was die Sitcomhelden erleben, kennen wir von uns selbst. Während wir zusehen, wie der Sitcomheld sich vor Scham und Kummer windet, möchten wir ihm zurufen: »Das ist nicht so schlimm! Wir mögen dich so, wie du bist.«
    Serienfiguren hingegen brauchen unser Mitleid nicht. Auch wenn sie hart arbeiten müssen, um ihre Ziele zu erreichen, ihnen gelingt am Ende sowieso alles. Sie sind Vorbilder, man kann sie bewundern und ihnen nacheifern. Falls die Vorbilder scheitern sollten, lässt sich eine gewisse Schadenfreude kaum unterdrücken: Sie selbst waren es, die von sich verlangten, etwas Besseres zu sein. Nun müssen sie mit den Konsequenzen fertigwerden.
    Sitcom- und Serienfiguren sind keine echten Menschen. Aber ihre Geschichten werden erzählt, damit der Zuschauer sich mit ihnen identifiziert. Und es scheint so zu sein, dass Geschichten, in denen die Protagonisten sich nicht weiterentwickeln, dafür etwas besser geeignet sind, weil man sie sympathischer findet. Das sollte uns zu denken geben.
FOLGENDE FRAGEN KÖNNEN SIE FÜR SICH BEANTWORTEN. WENN SIE WOLLEN.
    Ertappen Sie sich beim Lesen von Biografien und Lebensläufen dabei, dass Sie überlegen,
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