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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller
Autoren: Dan Wells
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inne und streckte die Hand nach dem Türgriff aus. Dabei verlor er das Gleichgewicht, stürzte seitwärts um und prallte schwer auf den schneebedeckten Boden. Mir stockte der Atem, und mein Herz, das jetzt schon raste, schlug noch schneller. War es das? War er tot? Mit einem schrecklichen Stöhnen kam der Dämon wieder hoch, presste die Hand an die Brust und stieß einen nicht menschlichen Schrei aus. Er war noch nicht tot, aber dem Tode nahe, und er wusste es.
    Der Dämon zog den schweren Mantel aus und kippte nach vorn. Im letzten Moment konnte er sich am Auto festhalten. Die großen weißen Krallen schienen zu glühen, als er sie mit beträchtlicher Kraft ins Metall bohrte, um nicht wieder hinzufallen. Eine Krallenhand langte nach dem Türgriff, hielt aber mitten in der Bewegung inne. Reglos starrte er das Auto an.
    Jetzt hatte er den leeren Beifahrersitz bemerkt und wusste, dass damit seine letzte Hoffnung geschwunden war. Der Dämon sank auf die Knie und schrie. Es war kein Brüllen oder Knurren, sondern ein schrilles Wehklagen.
    Noch nie hatte ich einen Laut gehört, der das Wort Verzweiflung so eindringlich zum Ausdruck brachte.
    Der Schrei des Dämons veränderte sich, doch ich konnte nicht erkennen, ob es Wut oder Enttäuschung war. Wieder richtete er sich taumelnd auf, tat einen Schritt in die Einfahrt hinein, dann einen Schritt in Richtung der Straße. Er war verwirrt und konnte sich nicht entscheiden. Dann sank er wieder auf die Knie und zog sich mithilfe seiner Krallen weiter, bis er schließlich flach auf dem Boden liegen blieb. Es kam mir so vor, als verginge eine halbe Ewigkeit, während ich auf ein Zucken, ein Aufbäumen oder einen Ruf wartete, doch nichts geschah. Die ganze Welt war gefroren und erstarrt.
    Zitternd wartete ich noch eine Weile, ehe ich mich zu bewegen wagte. Der Dämon lag reglos in der Einfahrt, so leblos wie der Beton unter ihm. Ich schlich aus meinem Versteck hervor und näherte mich ihm mit äußerster Vorsicht, wobei ich ihn keine Sekunde lang aus den Augen ließ. Kleine Dampfwolken stiegen von ihm auf. Ich ging langsam zu ihm, im grellen Scheinwerferlicht musste ich blinzeln, und starrte ihn an.
    Es war ein eigenartiges Gefühl. Ein animalischer Kitzel im Bauch, aber es hatte auch etwas Erhebendes. Dies war nicht irgendeine Leiche, sondern es war mein Opfer. Dieser gefallene, reglos am Boden liegende Gegner gehörte mir. Er war wie ein Kunstwerk, das ich mit eigenen Händen erschaffen hatte. Ich empfand einen ungeheuren Stolz und verstand, warum so viele Serienmörder die Leichen an Orten zurückließen, wo sie leicht entdeckt werden konnten. Wenn man etwas so Schönes erschaffen hatte, dann sollten alle es sehen.
    Endlich war er tot.
    Ich wunderte mich allerdings, dass er nicht einfach zerfiel wie die verbrauchten Organe. Warum war sein Körper noch intakt, wenn die Energie, die ihn zusammenhielt, verschwunden war?
    Als ich aus den Augenwinkeln einen Lichtschein bemerkte, fuhr ich auf. In unserem vorderen Zimmer hatte jemand das Licht eingeschaltet. Gleich darauf erschien eine Gestalt hinter den Vorhängen und zog sie zur Seite, um nach draußen zu blicken. Es war meine Mom. Anscheinend hatte sie den Schrei des Dämons gehört und wollte nach dem Rechten sehen. Ich duckte mich neben den Wagen, außer Reichweite der Scheinwerfer und nur wenige Schritte vom toten Dämon entfernt. Sie blieb lange am Fenster stehen, ehe sie sich entfernte und den Vorhang zurückfallen ließ. Ich wartete, dass sie das Licht wieder ausknipste, doch es erlosch nicht. Gleich darauf ging das Licht im Badezimmer an. Ich schüttelte den Kopf. Sie hatte nichts bemerkt.
    Der Dämon zuckte.
    Sofort richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder ganz und gar auf das gestürzte Wesen, das ich mit ausgestrecktem Arm beinahe hätte berühren können. Sein Kopf kippte zur Seite, der linke Arm zuckte unkontrolliert. Ich richtete mich auf und wich zurück. Noch einmal zuckte der Arm, dann stemmte der Dämon ihn fest auf den Boden und drückte sich hoch. Die Schultern hoben sich, nur der Kopf hing noch herab, dann wollte er ein zitterndes Bein auf den Boden setzen. Er mühte sich eine Weile mit dem Bein ab, das ihm nicht gehorchen wollte, gab es schließlich auf und setzte den zweiten Arm ein. Er kroch vorwärts.
    Gerade rechtzeitig blickte ich hoch, um zu erkennen, dass in einem weiteren Zimmer das Licht anging. Dieses Mal war es mein Zimmer. Mom hatte nach mir gesehen und wusste jetzt, dass ich nicht da war.
    Tu etwas
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