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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller
Autoren: Dan Wells
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einzubalsamieren. Ein buckliger dämonischer Diener, lüstern grinsend und stumm. Crowley war der Killer und ich sein Sklave. Nein, dazu wollte ich mich nicht hergeben. Die Reihe der Leichen musste an diesem Abend ein Ende finden.
    Bisher hatte der Dämon Neblin noch kein Organ entnommen. Also war damit zu rechnen, dass er jeden Augenblick wieder aus dem Haus gestürmt kam, weil er sich dringend regenerieren musste. Wenn ich die Leiche versteckte, würde er vielleicht vergehen und sterben. Ich packte den Toten an den Schultern und richtete ihn auf. Als meine Handschuhe auf dem Blut abrutschten, ließ ich jedoch sofort wieder los. Ich war dabei, an meiner Kleidung verräterische Spuren zu legen. Entsetzt wich ich einen Schritt zurück und kämpfte meine Angst nieder. Wagte ich es, mich so unmittelbar mit dem Verbrechen in Verbindung zu bringen? Bisher war ich sehr vorsichtig gewesen, hatte mich behutsam bewegt, meine Spuren verwischt und monatelang geplant, ich war auf Abstand geblieben und hatte meine Gedanken zu den Verbrechen für mich behalten. Das konnte ich jetzt nicht alles wegwerfen.
    Gab es denn überhaupt einen anderen Weg? Wenn ich den Dämon töten wollte, musste ich die Leiche verstecken, und das war nicht möglich, ohne mich mit Neblins Blut zu beflecken. Wenn ich das Blut mied und Neblin an den Füßen wegschleppte, würde ich eine Schleifspur hinterlassen und meinen ganzen Plan gefährden. Daher musste ich den Toten an den Schultern anheben und in Kauf nehmen, dass sein Blut auf meinen Handschuhen und dem Mantel landete statt auf dem Boden.
    Ein lautes Heulen durchbrach die Stille. Ich wich zurück und blickte nervös zuerst zur Hintertür und dann zur Vordertür, immer hin und her, und fragte mich, wo der Dämon auftauchen würde. Mr Monster kreischte unterdessen in meinem Kopf, wir sollten verschwinden, uns einfach verdrücken und es demnächst noch einmal versuchen. Das wäre tatsächlich klug und vernünftig gewesen. Der Dämon würde überleben, aber auch ich würde nicht sterben. Ich konnte ihn irgendwann immer noch zur Strecke bringen, ohne mich selbst zu gefährden.
    Mein Blick fiel auf Neblin. Er wollte nicht lockerlassen, dachte ich. Neblin war mitten in der Nacht aufgebrochen, um mir zu helfen, obwohl er genau wusste, dass sich ein Serienkiller in der Stadt herumtrieb. Er hatte getan, was nötig war, obwohl er sich damit selbst in Gefahr gebracht hatte. Ich muss aufhören, wie ein Soziopath zu denken. Entweder ich bringe mich in Gefahr, oder Crowley tötet weiter. Zwei Monate oder sogar noch zwei Stunden zuvor hätte ich keine Sekunde lang gezögert und mich selbst gerettet. Auch jetzt wusste ich theoretisch, dass es das Klügste gewesen wäre. Doch Neblin war gestorben, während er versucht hatte, mir beizubringen, wie normale Menschen dachten und fühlten. Manchmal setzten ganz normale Menschen ihr Leben aufs Spiel, um einander zu helfen, weil sie etwas füreinander empfanden. Emotionen, Bindungen. Liebe. Die Gefühle hatte ich nicht, aber ich war es Neblin schuldig, es wenigstens zu versuchen.
    Schließlich packte ich ihn unter den Achseln und zerrte ihn zu mir herum. Sein glitschiger blutiger Kopf pendelte gegen meinen Mantel und hinterließ belastende DNA-Spuren. Wieder heulte der Dämon im Haus, doch ich ließ mich nicht beirren und zog Neblin ganz aus dem Auto, bis seine Beine, auf denen noch kein Blut klebte, auf der Zufahrt lagen. Der Tote war schwerer als erwartet. Irgendwo hatte ich einmal gelesen, dass Tote und Bewusstlose schwerer scheinen, weil sie nicht von selbst das Gleichgewicht halten und ihre schlaffen Muskeln die Gliedmaßen nicht mehr unterstützen. Neblin fühlte sich an wie ein Sack mit feuchtem Zement, unförmig und viel zu schwer, um ihn zu tragen. Ich drückte seinen Kopf und die Schultern gegen meinen Oberkörper, schob die Arme durch seine Achselhöhlen und verschränkte die Hände vor seiner Brust. Dann drehte ich mich vorsichtig um, balancierte auf einem Fuß und drückte mit dem anderen die Tür zu, bis sie fast wieder geschlossen war. Auf einmal rutschte Neblins Arm zur Seite, und sein Körper bekam Schlagseite. Ich kippte gegen das Auto, hielt aber weiter fest und richtete den Toten wieder auf. Bis jetzt war noch kein Blut auf den Boden getropft.
    Irgendwo im Haus krachte es, als sei Crowley gegen etwas gestürzt oder als hätte er vor Wut irgendetwas zerstört. Ich drückte die Autotür ganz zu und drehte mich langsam weiter, bis ich zur Straße blickte.
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