Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller
Autoren: Dan Wells
Vom Netzwerk:
Dann zog ich mich langsam in Crowleys Hof zurück. Vorsichtig, Schritt für Schritt, ging ich rückwärts und verließ mich dabei auf meine Erinnerung, um an den ordentlich aufgeschaufelten Schneehaufen vorbeizukommen, ohne sie zu zerstören oder irgendeine andere Spur zu hinterlassen. Schritt für Schritt. Wieder hörte ich ein Krachen, näher jetzt und irgendwo im Erdgeschoss. Ich knirschte mit den Zähnen, fast hatte ich es geschafft.
    Endlich erreichte ich den Schuppen und konnte auch Neblins Beine neu ausrichten. Der Schuppen stand parallel zur Einfahrt, deshalb hatte ich davor einen Gehweg freigeschaufelt, der von der Einfahrt abzweigte. Der freie Bereich war nur ein paar Schritte lang. Gerade lang genug, damit ich hinter der Ecke des Schuppens verschwinden und die Leiche hinter mir her in die schmale Lücke zwischen Schuppen und Lattenzaun ziehen konnte. Ich zerrte den Toten so weit hinein, wie es möglich war, ohne auf der anderen Seite wieder zum Vorschein zu kommen, und ließ ihn einfach in den Schnee fallen.
    Nun klapperte die Hintertür, und ich hielt den Atem an. Vorn ragten Neblins Füße immer noch ein paar Zentimeter heraus, lagen jedoch dank einiger kahler Büsche noch im Schatten. Crowley würde Neblins Beine nicht so schnell entdecken, aber falls der Dämon sich genauer umsah und falls ich irgendeine sichtbare Spur hinterlassen hatte, würde er die Schuhe mit Sicherheit bemerken.
    Wem wollte ich etwas vormachen? Wenn ich irgendeine Spur hinterlassen hatte, dann würde Crowley schnurstracks auf mich losgehen und mich umbringen.
    Ich hielt eine Ewigkeit lang den Atem an und lauschte auf jedes Geräusch – das verhaltene Dröhnen des Automotors, das leise Piepsen im Armaturenbrett, meinen eigenen Herzschlag. Auf der anderen Seite des Schuppens waren ungleichmäßige, schwache Schritte zu hören, dann trat oder stolperte jemand in den Schnee. Die vereiste oberste Schicht knirschte unter seinen Füßen. Einmal zweimal, dreimal. Dann wieder normale Schritte auf dem Beton. Er ging unsicher und langsam. Vielleicht hatte ich Glück.
    Ich lauschte, während er über den Gehweg schlurfte. Ein Schritt, eine Pause. Ein Schritt, ein Stolpern. Ich wagte kaum zu atmen, schloss die Augen und wollte den Dämon mit meiner bloßen Willenskraft dazu bringen, umzufallen und zu sterben, damit es endlich vorbei wäre. Ein Schritt, eine Pause. Ein Schritt, eine Pause, ein Schritt, ein Grunzen. Er ging langsamer denn je. Ich wartete mucksmäuschenstill und hatte viel zu viel Angst, um mich auch nur eine Handbreit zu bewegen. Die kalte Luft und der Schnee setzten mir zu. Wie damals am Freak Lake, als ich mich im Schnee versteckt und den Dämon zum ersten Mal beobachtet hatte, bekam ich das Gefühl, ich stünde kurz vor einem körperlichen Zusammenbruch. Schmerzlich war mir jeder Herzschlag bewusst, und ich konnte kaum noch das Gleichgewicht halten. Meine Hände und Füße brannten vor Kälte und wurden allmählich taub. Mein Körper war wie ein abgelaufenes Uhrwerk, das allmählich den Dienst einstellte, bis das letzte Rädchen anhielt und die letzte Feder ihre Kraft verlor, woraufhin der ganze Mechanismus stehen blieb.
    Ich balancierte vorsichtig, hatte in der schmalen Lücke aber nicht genug Platz, um meine Füße sicher auf den Boden zu stellen. Schließlich bückte ich mich leise und unhörbar, um Neblins Füße hinter den Schuppen zu ziehen. Zentimeter um Zentimeter, ohne ein Geräusch zu verursachen. Auf der Einfahrt hörte ich wieder zögernde, gequälte Schritte. Unterdessen zog ich Neblins Knie hoch und lehnte seine angewinkelten Beine leise, ganz leise gegen den Schuppen. Vor den Autoscheinwerfern zog ein schwarzer Fleck vorbei, und am Zaun und im Hof zeichnete sich der riesige Schatten des Dämons ab – ein knollenförmiger Kopf, zehn messerscharfe Klauen. Der dicke Mantel und die Hosen schlotterten über den schmalen, bösen Gliedmaßen. Ich fragte mich, ob er überhaupt noch genug Kraft besaß, um sich in einen Menschen zu verwandeln, oder ob er gezwungen gewesen war, Kay in dieser Gestalt Hilfe zu leisten. Er musste dem Tod sehr nahe sein.
    Ich tat einen vorsichtigen Schritt, setzte den Fuß behutsam auf und spähte um die Ecke des Schuppens. Der Dämon hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben. Er taumelte um das Auto herum, seine Krallen kratzten über den Lack, als er sich auf die Haube stützen musste, um nicht zu stürzen. Mühsam arbeitete er sich bis zur Beifahrerseite vor, hielt für einen Moment gebeugt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher