Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller
Autoren: Dan Wells
Vom Netzwerk:
einer echten Beziehung. Gerade liefen die Simpsons . Es war Samstagabend, und wir hatten Jebs Leiche immer noch nicht bekommen. Wenn die Polizei ihn noch lange behielt, konnten wir ihn überhaupt nicht mehr einbalsamieren, sondern mussten ihn in einen Beutel stecken und sofort den Sargdeckel auflegen.
    Mom und ich waren uns nie einig, welche Pizza wir nehmen sollten, deshalb ließen wir sie immer in der Mitte teilen. Auf meiner Seite gab es Salami und Pilze, auf ihrer Peperoni. Sogar die Simpsons waren ein Kompromiss. Da jeder Kanalwechsel zu einem Streit geführt hätte, ließen wir den Apparat einfach laufen.
    In der ersten Werbepause legte Mom die Hand auf die Fernbedienung, was gewöhnlich bedeutete, dass sie den Ton abschalten und über irgendetwas reden wollte – was wiederum zur Folge hätte, dass wir uns streiten würden. Sie legte den Finger auf den Stumm -Knopf, ohne zu drücken. Wenn sie so lange zögerte, ehe sie anfing, wollte sie vermutlich über etwas wirklich Übles sprechen. Dann aber zog sie die Hand zurück, nahm sich ein Stück Pizza und biss ab.
    So verfolgten wir angespannt den nächsten Abschnitt der Sendung, während wir schon wussten, was kommen würde, und unsere Angriffe planten. Ich spielte mit dem Gedanken, aufzustehen und mich unter der Deckung des Zeichentrickfilms zu verdrücken, aber damit hätte ich sie nur gequält. So kaute ich langsam und schaute wie betäubt zu, während Homer kreischend auf dem Bildschirm herumraste.
    Dann kam die nächste Werbeunterbrechung, und dieses Mal verharrte der Finger meiner Mutter nur kurz über dem Knopf, ehe sie ihn drückte. Sie kaute, schluckte hinunter und legte los.
    »Ich habe heute mit Dr. Neblin gesprochen«, begann sie.
    Ich hatte mir schon gedacht, dass es damit zu tun hatte.
    »Er meinte … also, er hat mir einiges höchst Interessantes erzählt.« Sie blickte unverwandt zum Fernseher, zur Wand und zur Decke. Überallhin, nur nicht in meine Richtung. »Möchtest du mir etwas sagen?«
    »Danke, dass du mich zum Therapeuten schickst, und es tut mir leid, dass ich überhaupt einen Therapeuten brauche?«
    »Sei nicht so schnippisch, John. Vor uns liegen große Schwierigkeiten, und ich würde gern einen großen Teil davon bewältigen, ehe wir schnippisch werden.«
    Ich holte tief Luft und blickte zum Fernseher. Die Simpsons liefen wieder, ohne Ton genauso hektisch wie sonst. »Was hat er denn gesagt?«
    »Er meinte, dass du …« Jetzt blickte sie mich an, das schwarze Haar zurückgekämmt, die grünen Augen voller Sorgen. Sie war fast vierzig, ihrer Ansicht nach noch recht jung, doch an Abenden wie diesem, wenn wir uns im fahlen Schein des Fernsehapparats stritten, kam sie mir verhärmt und verlebt vor. »Er sagte, du denkst darüber nach, jemanden zu töten.« Sie hätte mich nicht ansehen sollen. Sie hätte mir nicht so etwas sagen sollen, ohne von Gefühlen überwältigt zu werden. Wenigstens wurde sie rot, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Das ist komisch«, erwiderte ich. »Das habe ich nicht gesagt. Bist du sicher, dass er sich ganz genau so ausgedrückt hat?«
    »Auf die Worte kommt es hier nicht an«, beharrte sie. »Es ist kein Scherz, John, es ist bitterer Ernst. Die … ich weiß nicht. Soll das wirklich so für uns enden? Du bist alles, was ich noch habe, John.«
    »Tatsächlich sagte ich ihm, dass ich strikte Regeln befolge, um dafür zu sorgen, dass ich nichts Falsches tue. Ich dachte, darüber könntest du dich freuen, aber stattdessen giftest du mich an. Deshalb brauche ich die Therapie.«
    »Wie kann ich über einen Sohn glücklich sein, der Regeln braucht, damit er niemanden umbringt?«, gab sie zurück. »Ich bin auch nicht glücklich darüber, dass mir ein Psychologe erklärt, mein Sohn sei ein Soziopath. Ich bin nicht glücklich, wenn …«
    »Sagte er, ich sei ein Soziopath?« Das fand ich irgendwie cool. Ich hatte es immer vermutet, aber es war nett, eine offizielle Diagnose zu bekommen.
    »Antisoziale Persönlichkeitsstörung«, bekräftigte sie mit erhobener Stimme. »Ich hab’s nachgeschlagen. Es ist eine Psychose.« Sie wandte sich ab. »Mein Sohn ist psychotisch.«
    »APS wird vor allem als Mangel an Empathie definiert«, widersprach ich. Auch ich hatte es ein paar Monate zuvor nachgeschlagen. Empathie erlaubt den Menschen, Gefühle zu erkennen, wie die Ohren Geräusche wahrnehmen. Ohne Empathie ist man emotional taub. »Es bedeutet, dass ich keine emotionale Verbindung zu anderen Menschen herstelle.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher