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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller
Autoren: Dan Wells
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rede doch über Verantwortung«, wandte ich ein. »Ich versuche ja, mich daran zu hindern.«
    »Das ist richtig«, stimmte er zu, »und das ist bewundernswert. Andererseits hast du dieses Gespräch mit der Bemerkung eingeleitet, das Schicksal wolle dich zu einem Serienmörder machen. Wenn du dir sagst, es sei deine Bestimmung, ein Serienmörder zu werden, weichst du dann nicht der Verantwortung aus, indem du dem Schicksal die Schuld gibst?«
    »Ich sagte Schicksal, weil es hier um mehr als eigenartige Verhaltensweisen geht«, erklärte ich. »Es gibt einige Aspekte in meinem Leben, die ich nicht kontrollieren kann und die sich nur durch das Schicksal erklären lassen.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Ich trage den Namen eines Serienmörders«, sagte ich. »John Wayne Gacy tötete in Chicago dreiunddreißig Menschen und begrub die meisten unter seinem Haus.«
    »Deine Eltern haben dich nicht nach John Wayne Gacy benannt«, widersprach Neblin. »Ob du es glaubst oder nicht, ich habe deine Mutter danach gefragt.«
    »Wirklich?«
    »Ich bin klüger, als man vermuten sollte«, sagte er. »Du musst auch bedenken, dass eine einzige zufällige Verbindung zu einem Serienmörder noch kein Schicksal formt.«
    »Mein Vater hieß Sam«, fuhr ich fort. »Damit bin ich der Sohn des Sam – so nannte sich der Serienmörder in New York, der behauptete, ein Hund habe ihn veranlasst, die Menschen zu töten.«
    »Damit hast du zwei zufällige Verbindungen zu Serienmördern«, antwortete er. »Ich muss zugeben, dass dies ein wenig seltsam ist, vermag jedoch immer noch keine kosmische Verschwörung gegen dich zu erkennen.«
    »Mein Nachname lautet Cleaver«, fuhr ich fort. »Ich bin ein Hackmesser. Wie viele Menschen kennen Sie, die nach zwei Serienmördern und einer Mordwaffe benannt sind?«
    Dr. Neblin rutschte auf seinem Stuhl hin und her und tippte mit dem Stift auf das Notizpapier. Das bedeutete, dass er angestrengt nachdachte. »John«, sagte er nach einer Weile, »ich wüsste gern, welche Dinge dich besonders ängstigen. Deshalb möchte ich zurückspringen und etwas betrachten, das du vorhin gesagt hast. Könntest du mir einige deiner Regeln beschreiben?«
    »Über das Beobachten anderer Menschen habe ich schon etwas gesagt«, antwortete ich. »Das ist eine wichtige Regel. Ich beobachte gern andere Menschen, aber ich weiß, dass ich mich zu sehr für sie interessieren könnte, wenn ich sie zu lange beobachte – ich könnte beginnen, ihnen zu folgen, herausfinden, wohin sie gehen, mit wem sie reden und was in ihnen vorgeht. Vor ein paar Jahren wurde mir bewusst, dass ich ein Mädchen auf der Schule regelrecht beschattet habe – ich bin ihr praktisch überallhin gefolgt. So etwas kann viel zu schnell zu weit gehen, und deshalb habe ich eine Regel aufgestellt: Wenn ich jemanden zu lange beobachte, beachte ich ihn eine ganze Woche lang nicht.«
    Neblin nickte, unterbrach mich aber nicht. Ich war froh, dass er nicht nach dem Namen der Mitschülerin fragte, denn ich hatte das Gefühl, bereits meine Regeln zu brechen, wenn ich nur über sie sprach.
    »Außerdem habe ich eine Regel in Bezug auf Tiere«, fuhr ich fort. »Sie erinnern sich doch an das Erdhörnchen?«
    Neblin lächelte gequält. »Ich schon, das Erdhörnchen vermutlich nicht.« Seine nervösen Witze wurden immer schlechter.
    »Das war nicht das einzige Mal«, sagte ich. »Mein Dad hat früher im Garten Fallen für Erdhörnchen und Maulwürfe und so weiter aufgestellt, und es war meine Aufgabe, die Fallen jeden Morgen zu überprüfen und mit einer Schaufel alle Tiere zu erschlagen, die noch nicht tot waren. Mit sieben habe ich angefangen, sie aufzuschneiden, weil ich wissen wollte, wie sie innen aussahen, aber damit habe ich aufgehört, als ich mich für Serienmörder zu interessieren begann. Haben Sie schon einmal von Macdonalds Triade gehört?«
    »Die drei Merkmale, die bei fünfundneunzig Prozent aller Serienmörder auftreten«, erwiderte Dr. Neblin. »Bettnässen, Pyromanie und Tierquälerei. Ich muss zugeben, dass alle drei auf dich zutreffen.«
    »Das fand ich mit acht heraus«, fuhr ich fort. »Was mir aber wirklich unter die Haut ging, war nicht die Tatsache, dass Tierquälerei ein Vorbote für gewalttätiges Verhalten gegenüber Menschen sein könnte, sondern vielmehr, dass ich es bis dahin überhaupt nicht für falsch gehalten hatte. Ich hatte Tiere getötet und zerlegt und dabei ungefähr die gleichen Gefühle gehabt wie ein Kind, das mit Legosteinen spielt.
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