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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder
Autoren: Brigitte Pons
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Gefühle zu wühlen. Hilflos dem Warten ausgeliefert, fuhren ihre Gedanken auf einem Karussell, das sich immer schneller im Kreis drehte. Eine Endlosschleife. Dauerkarte ohne Ausstiegsmöglichkeit. Unterbrochen nur von neuen ungeklärten Fragen. Das Karussell holperte ein weiteres Mal.
    »Wieso bist du vorhin überhaupt da gewesen? Ohne dich wären wir jetzt alle tot und Tobias’ Plan hätte funktioniert.«
    »Mischa hat mich angerufen, nachdem er deine Nachricht erhalten hat.«
    »Die war nicht von mir. Tobias hat sie geschrieben, ich weiß nicht mal, was drin stand.«
    Conrad Neumaier schüttelte den Kopf. »Ich habe es nicht verstanden. Mischa war sehr aufgeregt. Sagte nur, es sei was faul und ich solle sofort zu deiner Wohnung kommen. Es könnte sein, dass du in Gefahr bist.«
    »Woher hat er das gewusst?«
    Umständlich zerriss Alexandra die Verpackung des Schokoriegels und biss hinein, ohne etwas zu schmecken.
    »Ich hoffe, das kann er uns noch selbst sagen.« Erschrocken brach Conrad ab. »Bald, meine ich. Ich hoffe, er kann es uns bald sagen. Aber warte, lies es am besten selbst. Das ist aus seiner Jacke gefallen.«
    In der Hosentasche suchte er mit fahrigen Bewegungen nach dem Zettel und reichte ihn ohne zu überlegen an Alexandra weiter. Die Schokolade entglitt ihrer Hand, die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen. Schwarz auf rotem Untergrund. Tinte und Blut. Mischas Blut.
    »Ruf mich nicht an. Ich werde nicht ans Telefon gehen«, las sie. »Du musst um 14:30 Uhr bei mir sein. Nicht früher. Nicht später. Sonst ist alles aus. Dann weiß ich, dass es keine Zukunft mehr gibt. Nicht für mich, ohne dich. All die Nächte mit dir, kann ich nicht einfach vergessen. Lass mich nicht im Stich. Lass mich nicht sterben.«
    So ein Unsinn. All die Nächte mit dir. Aber Tobias hatte geglaubt, sie beide … All die Nächte. Oh ja, so viele gemeinsame Nächte. So viele. Und jetzt?
    »Mischa war einfach immer da«, flüsterte sie und ihre Nase tropfte aufs Papier. »Es war ganz selbstverständlich, wenn einer von uns Kummer hatte, riefen wir den anderen an, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Dann kam er zu mir oder ich konnte zu ihm fahren. Da sein, war wichtig, und festhalten. Einfach eine Stunde in der Küche stehen, während der Kaffee auskühlt oder die Bratkartoffeln anbrennen, und einander umarmen. Da können Worte nicht mit. Und jetzt? Was wird denn jetzt?«
    »Keine Ahnung, Alexandra. Aber er schafft es. Sicher.«
    Conrad Neumaier drückte ihre Hand und wischte sich vorsichtig die feuchten Augen. Sie tat, als bemerkte sie es nicht, betrachtete erneut den Ausdruck, berührte mit den Fingerspitzen die Blutspur, die sich über den Text zog. »Alex«, entzifferte sie als Absender darunter. Nicht Alexandra, sondern Alex. Beinahe hätte sie gelacht. Sie hasste diesen Namen. Aber das hatte Tobias nicht gewusst. Das war der entscheidende Fehler, darum hatte Mischa Conrad angerufen.
    »Hast du schon was von Weber gehört, als ich unten war?«, fragte der jetzt mit belegter Stimme. »Den hat es noch schlimmer erwischt als Mischa, nicht wahr?«
    Schniefend schüttelte sie den Kopf. »Sie rennen dauernd rein und raus aus dem OP, aber es sagt mir keiner was. Ich habe wohl eine ganz kritische Stelle erwischt.«
    »Nicht du. Stockmann.«
    »Mein Finger war am Abzug.«
    »Und er hat abgedrückt. Vergiss das nicht!« Er reichte ihr ein weiteres Taschentuch. »Wie stehst du zu ihm, zu Weber?«
    Eine komplizierte Frage. Sie putzte sich die Nase und griff zum Kaffee, der endlich auf Trinktemperatur abgekühlt war.
    »Er ist so was wie mein zweiter großer Bruder.«
    »Ach?«
    »Ich weiß. Habe mich nicht gerade mit Ruhm bekleckert in der letzten Zeit. Mit großen Brüdern schläft man nicht. Es war eine Affäre. Kurz und belanglos. Eine Affäre eben, nichts weiter.« Sie seufzte. »Ich hätte es ebensogut lassen können. Dann wäre es vielleicht nicht so weit gekommen und er schwebte jetzt nicht in Lebensgefahr.«
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass das etwas geändert hätte?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht waren da einfach zu viele Männer in meinem Leben.« Sie lachte bitter. »Dass ich das mal sage: zu viele Männer in meinem Leben! Aber keiner davon ist meiner. Und allen bringe ich nur Unglück.« Wieder lachte sie unter Schluchzern. »Und wenn er wirklich stirbt?«
    »Denk nicht daran. Komm, lass den Kopf nicht hängen. Da kommt eine Schwester. Schwester!«
    Zügiger, als man bei seiner Leibesfülle erwartet
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